Vergütung von Überstunden – auch und gerade bei Überschreiten der Höchstarbeitszeit?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist.

Jedoch gilt nach § 612 Absatz I BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütungserwartung ist dabei stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt.

Nach der Rechtsprechung dürfen Arbeitnehmer mit deutlich herausgehobener Vergütung, in der Regel dann, wenn die Vergütung die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, keine Bezahlung von Überstunden erwarten, da solche Arbeitnehmer nicht nach Stunden, sondern für die Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben insgesamt vergütet werden. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehlt regelmäßig die objektive Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.
Etwas anderes gilt bei Arbeitnehmern mit herausgehobener Vergütung nur dann, wenn im Rahmen des Arbeitsvertrages oder eines Tarifvertrages die Vergütung für Überstunden geregelt ist.

Nunmehr hat sich das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Rahmen eines Urteils vom 23.09.2020 mit der Frage beschäftigt, ob diese Annahme auch gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer mit herausgehobener Vergütung mehr arbeitet, als gesetzlich nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig.

Im Rahmen des Urteils vom 23.09.2020 (14 Sa 296/20) vertritt das LAG Düsseldorf die Auffassung, dass auch Arbeitnehmer mit deutlich herausgehobener Vergütung Abgeltung von Überstunden verlangen können, soweit die gesetzliche Höchstarbeitszeit im Ausgleichszeitraum nach § 3 ArbZG überschritten ist.
Auch der Arbeitnehmer mit herausgehobener Vergütung könne berechtigterweise erwarten, dass die Gegenleistung für die vereinbarte Vergütung maximal die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG ist.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zum BAG zugelassen.

Bleibt abzuwarten, ob sich das BAG der Rechtsauffassung des LAG Düsseldorf anschließt, zumal in der vom LAG Düsseldorf vertreten Auffassung ggf. auch ein gewisser Anreiz für Arbeitnehmer mit herausgehobener Vergütung gesehen werden kann, gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu verstoßen, was wiederum mit dem Schutzzweck und Rechtsgedanken des Arbeitszeitgesetzes nicht wirklich vereinbar wäre.


LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.9.2020 – 14 Sa 296/20

09.04.2021, 11:04
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht