Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz (hier: für Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung)

Nach der Rechtsprechung des BAG ist § 613a BGB auch in der Insolvenz uneingeschränkt anwendbar, soweit es um den Schutz der Arbeitsplätze und die Kontinuität des Betriebsrats geht.
Nicht anwendbar ist die Bestimmung des § 613a BGB jedoch insoweit, wie sie die Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz für bereits entstandene Ansprüche vorsieht. Hier gehen nach der Rechtsprechung des BAG die besonderen und einschränkenden Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens vor.

Mit Urteil vom 26.01.2021 hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung erneut bestätigt und entschieden, dass der Erwerber eines Betriebs(teils) in der Insolvenz nach 613a Abs. 1 BGB für Ansprüche der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zeitanteilig für die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegte Dauer der Betriebszugehörigkeit haftet. Für die Leistungen, die auf Zeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet der Betriebserwerber auch dann nicht, wenn für diesen Teil der Betriebsrente nach dem Betriebsrentengesetz der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) - der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung - nicht vollständig eintritt.

Bereits im Oktober 2018 hatte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH die hier maßgebliche Frage vorgelegt, ob die Einschränkung der Haftung des Erwerbers bei einem Betriebsübergang aus der Insolvenz, wonach der Erwerber nicht für Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hafte, die auf Beschäftigungszeiten vor der Insolvenzeröffnung beruhen, europarechtskonform ist.

Auf Basis der daraufhin entgangenen Entscheidung des EuGH vom September 2020 hat das BAG nunmehr entschieden, dass ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insolvenzordnung für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind haftet. Diese Rechtsprechung ist - wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat (EuGH 9. September 2020 - C-674/18 und C-675/18 - [TMD Friction]) - mit Unionsrecht vereinbar. Sie rechtfertigt sich nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG, der auch neben den nur in der Insolvenz geltenden Bestimmungen in deren Art. 5 anwendbar bleibt. Voraussetzung ist, dass ein Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entsprechender Mindestschutz gewährt wird. Dieser unionsrechtlich gebotene Mindestschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden und gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers scheidet deshalb aus.



Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 AZR 139/17 -

05.02.2021, 08:37
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht