Arbeitslohn – Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht gegen Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO gesichert

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers die Auszahlung von Arbeitsentgelt nach den Vorschriften der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) anfechten und die Rückgewähr der geleisteten Zahlungen an die Insolvenzmasse fordern.

Auch wenn das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Anfechtbarkeit gerade sog. kongruenter Zahlungen durch den Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Rechtsprechung der vergangenen Jahre deutlich erschwert hat, so unterliegen sog. inkongruente Zahlungen auch nach der Rechtsprechung des BAG der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter. Bei sog. inkongruenten Deckungen im Sinne des § 131 InsO handelt es sich um Zahlungen, die der Arbeitnehmer „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen“ hatte. Nach der Rechtsprechung des BAG und des BGH handelt es sich insbesondere bei Zahlungen, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder unter dem Druck von Vollstreckungsmaßnahmen erlangt wurden, um inkongruente Befriedigungen im Sinne des § 131 InsO.

Bislang war umstritten, ob der Insolvenzverwalter infolge der Anfechtung das gesamte ausbezahlte Arbeitsentgelt zurückfordern kann, oder ob sich der Rückforderungsanspruch nicht auf den Teil zu beschränken habe, der den gesetzlichen Mindestlohn übersteigt.

Mit Urteil vom 25.05.2022 (6 AZR 497/21) hat das BAG nunmehr klargestellt, dass der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 InsO das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns umfasst und dargelegt, dass der Gesetzgeber den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt hat.

Entgegen der Rechtsauffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts sei eine grundsätzliche Einschränkung der Insolvenzanfechtung verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Schutz des Existenzminimums des Arbeitnehmers werde durch die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung und das Sozialrecht gewährleistet. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch beziehe sich uneingeschränkt auch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Wurde dieser durch Zahlung erfüllt, enden die Rechtswirkungen des Mindestlohngesetzes. Einen Ausschluss der Anfechtbarkeit oder einen besonderen Vollstreckungsschutz habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.05.2022 –6 AZR 497/21

14.06.2022, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht