Erstattung der Kosten des Erbscheins durch die Bank, wenn diese unnötigerweise auf die Vorlage eines solchen besteht

Der BGH hat in einem am 3. April 2016 ergangenen Urteil entschieden, dass eine Bank, im konkreten Fall eine Sparkasse, von den Erben die Vorlage eines Erbscheins nicht verlangen darf, um den Zugriff auf die Konten des Erblassers zu gewähren, wenn sie sich dies in den Kontobedingungen nicht vorbehalten hat und sich auf anderem Weg ein Bild davon machen kann, wer tatsächlich Erbe geworden ist. Im Leitsatz der Entscheidung heißt es:

„Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.“

Die Kläger nahmen in dem zu entscheidenden Fall eine Sparkasse auf Erstattung von Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins in Anspruch. Die Eltern der Kläger hatten in einem gemeinschaftlichen Testament erklärt, sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als gemeinsame Schlusserben einzusetzen. In dem Testament war weiter für den Fall, dass beim Tod des Erstversterbenden eines der Kinder bereits einen Pflichtteilsanspruch geltend macht, bestimmt, dass derjenige beim Tod des Letztversterbenden dann auch nur noch pflichtteilsberechtigt sein soll. Nachdem beide Elternteile verstorben waren forderten die Erben die Sparkasse unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des handgeschriebenen Testaments und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts zur Freigabe der Konten auf. Diese meinte, sie könne nicht hinreichend klar erkennen, wer Erbe sei und forderte daher die Vorlage eines Erbscheins. Dessen Beantragung und Ausstellung verursachte Kosten in Höhe von 1.770 €, die die Erben von der Bank erstattet verlangten.

Der BGH gab den Erben recht, da es einen Verstoß der Bank gegen die ihr im Verhältnis zu den früheren Kontoinhabern begründete vertragliche Leistungstreuepflicht darstelle, die Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen, wenn dies weder in den Kontobedingungen festgehalten war noch zur Feststellung der Erbenstellung nötig ist. Allein der Umstand, dass es sich um ein handgeschriebenes Testament, nicht jedoch um ein notarielles Testament handelt, stehe der Feststellbarkeit der Erbenstellung durch die Bank nicht entgegen. Auch der im Testament enthaltenen Bedingung, dass hier Erbe nur sei, wer seinen Pflichtteil nicht geltend gemacht hat, könne die Bank begegnen, indem sie von den Erben eine Erklärung an Eides statt verlange, dass dies nicht der Fall sei. Gleiches gelte für die Frage, ob weitere Testamente oder Erbberechtigte existierten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.04.2016 – XI ZR 440/15

Ob Erben einen Erbschein benötigen, sollte im Hinblick auf die mit dessen Beantragung und Ausstellung entstehenden Kosten im Einzelfall entschieden werden. Die Beantragung beim Nachlassgericht kann jederzeit erfolgen, nicht nur unmittelbar nach dem Erbfall. Um Zugriff auf die Konten des Erblassers zu erhalten, reicht gegenüber der Bank oder Sparkasse häufig die Vorlage der beglaubigten Abschrift eines Testaments mit dem Eröffnungsbeschluss des Nachlassgerichts. Hat der Erblasser den Erben eine über den Tod hinausgehende Vollmacht für Bankgeschäfte erteilt, kann der Zugriff auch darüber erfolgen. Befinden sich Immobilien im Nachlass, kann dem Grundbuchamt gegenüber die Erbenstellung nur durch Erbschein oder Vorlage eines notariellen Testaments nachgewiesen werden; ein handschriftliches Testament ist wegen grundbuchrechtlicher Vorschriften hier nicht ausreichend.

25.10.2021, 09:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht