Das Nachlassverzeichnis

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2020 (5 W 19/20) lehrbuchartig die Inhalte eines Nachlassverzeichnisses zusammengefasst.


Der Fall


Geklagt hatte ein Pflichtteilsberechtigter gegen die Erben, die sich vorgerichtlich geweigert hatten, vollständige Auskunft über den Umfang des Nachlasses zu erteilen.


Die Entscheidung


Die Richter verurteilten die Erben,

a) alle beim Erbfall vorhandenen Immobilien, Mobilien, Versicherungsagentur und Forderungen (Aktiva);
b) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden);
c) alle pflichtteilsergänzungsrelevanten Zuwendungen, die die Erblasserin zu Lebzeiten getätigt hat und zwar ohne zeitliche Begrenzung auch über den Zehn-Jahres-Zeitraum hinaus;
d) alle Güterstände, in dem die Erblasserin während der Ehe gelebt hat

anzugeben. Weiter hielten die Richter fest, dass der Pflichtteilsberechtigte verlangen kann, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar erstellt wird, wenn dies im Hinblick auf die höhere Glaubwürdigkeit vom Berechtigten gewünscht wird. Die Kosten hierfür fallen dem Nachlass zur Last.


Zum Hintergrund


Da sich der Pflichtteilsanspruch am Wert des Nachlasses bemisst, hat der Pflichtteilsberechtigte nach §§ 2314, 260 BGB einen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem oder den Erben über den Bestand des Nachlasses. Maßgeblich ist dabei primär der Stand des Vermögens des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Der Erbe muss alle für die Anspruchsermittlung relevanten Vermögenspositionen und Umstände angeben. Hierbei ist bei verheirateten Erblassern – wie im obigen Fall – auch der Wechsel von Güterständen und sämtliche Schenkungen zwischen den Eheleuten von Bedeutung. Bei unvollständig gemachten Angaben besteht ein Ergänzungsanspruch solange, bis die Auskunft vollständig erteilt ist. Ist zu befürchten, dass die Angaben unvollständig oder unrichtig sind, kann der Berechtigte verlangen, dass eine eidesstattliche Versicherung abgegeben wird. Der Auskunftsberechtigte hat zudem das Recht, bei der Verzeichniserstellung hinzugezogen zu werden, sprich bei der Nachlassaufnahme dabei zu sein. Auch kann der Berechtigte verlangen, dass ein Notar das Nachlassverzeichnis erstellt (§ 2314 Absatz 1 Satz 3 BGB), denn es ist davon auszugehen, dass die Ermittlungen, die der Notar durchzuführen hat, zu einem höheren Grad an Richtigkeit der Auskunftserteilung führen. Allerdings verursacht dies auch Kosten, die den Nachlass, aus dem der Pflichtteil ermittelt wird, etwas schmälern.


OLG Hamm, Urteil vom 16.03.2020, 5 W 19/20

30.06.2021, 14:15
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht