Das insolvenzrechtliche Zahlungsverbot aus § 15a InsO, § 64 S.1 GmbHG bzw. § 130a HGB

Gesellschaftsrechtliche Ansprüche in der Insolvenz des Unternehmens gegen Gesellschafter und Geschäftsführer


Die Regelungen in § 15a InsO und § 64 S.1 GmbHG bzw. § 130a HGB dienen dem Schutz der Gläubiger eines Unternehmens. Ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Insolvenzlage besteht, soll das noch vorhandene Vermögen des Unternehmens vor weiteren Abflüssen geschützt werden, indem die Geschäftsleitung gesetzlich verpflichtet wird, umgehend einen Insolvenzantrag zu stellen. Verstöße gegen dieses Gebot werden hart sanktioniert.

Die Regelungen wurden zum 01.01.2021 neu gefasst. Für Insolvenzverfahren, die bis 31.12.2020 beantragt wurden, gilt weiter die alte Fassung. Die von Seiten der Insolvenzverwaltung geltend gemachten Haftungsansprüche aus § 64 GmbHG bzw. § 130a HGB werden daher voraussichtlich noch einige Zeit relevant sein. Die für diese Fälle geltende Rechtslage ist hier dargestellt.

1. Insolvenzantragspflicht § 15a InsO (a.F.)
Mit Vorliegen eines Insolvenzantragsgrunds ist die Geschäftsleitung zur Insolvenzantragsstellung verpflichtet, wenn sie die Insolvenzreife nicht innerhalb von 3 Wochen ab deren Eintritt beseitigen kann.

Die Insolvenzordnung nennt 2 solche Insolvenzantragsgründe:

a) Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO
Nach der gesetzlichen Definition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn ein Unternehmen Sozialabgaben für Arbeitnehmer oder Steuerrückstände bei Fälligkeit nicht mehr begleicht.

Zahlungsunfähigkeit ist abzugrenzen von einer bloßen Zahlungsstockung. Die Rechtsprechung betrachtet hier einen 3-Wochen-Zeitraum. Ist ein Unternehmen unter Berücksichtigung zu erwartender Zahlungseingänge nicht in der Lage, innerhalb von 3 Wochen mindestens 90% seiner fälligen und bis dahin noch fällig werdenden Forderungen zu zahlen, ist von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.

Grundlegend in diesem Bereich sind die Entscheidungen des BGH vom 24. Mai 2005 (AZ: IX ZR 123/04) und 19.07.2007 (AZ: IX ZB 36/07).

b) Überschuldung, § 19 InsO
Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Unternehmens seine Verbindlichkeiten nicht deckt. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass eine vorliegende Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist, als Indiz für eine insolvenzrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden kann, wenn keine weiteren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Unternehmen über nicht bilanzierte Vermögenswerte (insb. stille Reserven) verfügte, die den Fehlbetrag ausgleichen könnten. Unbeachtlich – und daher ggf. aus der Handelsbilanz herauszurechnen - sind aus insolvenzrechtlicher Sicht zudem Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen, für die der Gesellschafter einen Rangrücktritt erklärt hat. Umgekehrt betrachtet ist ein Rangrücktritt daher ein geeignetes Mittel, um durch dessen Erklärung eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden.

Unbeachtlich ist eine Überschuldung des Unternehmens zudem dann, wenn es nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen wirtschaftlich fortgeführt werden kann. Es handelt sich dabei um eine nach wirtschaftswissenschaftlichen Kriterien durchzuführende Prüfung der Überlebenschancen des Unternehmens, basierend auf einem konkreten, detailliert auszuarbeitenden Unternehmenskonzept, einschließlich einer Fortbestehensprognose. Nur wenn diese positiv ausfällt, kann die rechnerische Überschuldung ignoriert werden.

2. Haftung der Geschäftsleitung
Für die verschiedenen Gesellschaftsformen sehen die jeweiligen gesetzlichen Regelungen in § 64 S.1 GmbHG für die GmbH und UG, §§ 177a, 130a Abs. 1 HGB für die GmbH & Co.KG und §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG für die AG eine inhaltlich vergleichbare Haftung der Geschäftsleitung im Fall der schuldhaften Verletzung der Insolvenzantragspflicht aus § 15a InsO, die rechtsformübergreifend für alle Unternehmen gilt, vor. Die Haftung wird vom Insolvenzverwalter des Unternehmens nach der späteren, tatsächlichen Insolvenzverfahrenseröffnung gegen die handelnden Geschäftsleitungsmitglieder geltend gemacht.

Bei schuldhafter Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist die Geschäftsleitung zur Erstattung der nach Insolvenzreife veranlassten Vermögensabflüsse verpflichtet, soweit diese nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar waren. Maßstab für die Angemessenheit sind Handlungen, die auch ein Insolvenzverwalter des insolvenzreifen Unternehmens veranlasst hätte. Einzelfälle, welche Vermögensabflüsse dabei zu erstatten sind, hat die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Urteilen der vergangenen Jahre herausgearbeitet. Auf eine gesonderte Darstellung dieser Einzelfälle wird hier verzichtet, um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen.

Der Erstattungsanspruch umfasst Zahlungen in einem Zeitraum von bis zu 5 Jahre vor einer verjährungsunterbrechenden Geltendmachung durch den Verwalter.

Die Geschäftsleitung hat die von ihr trotz Insolvenzreife veranlassten Vermögensabflüsse an die Insolvenzmasse zu erstatten. Im Gegenzug darf sie jedoch eine eigene Forderung in gleicher Höhe zur Insolvenztabelle anmelden und nimmt letztlich an Stelle des Gläubigers, der durch die Zahlung befriedigt wurde, an der Verteilung der am Ende des Insolvenzverfahrens vorhandenen, freien Insolvenzmasse teil. Der Geschäftsführer erhält so einen Teil der von ihm als Sanktion geleisteten Rückzahlungen wieder.

3. Anmerkungen
Die hier skizzierte Haftung wegen verspäteter Insolvenzantragstellung ist eine Sanktion, die schnell hohe Summen erreicht und daher für die beteiligten Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans, die hier mit ihrem gesamten Vermögen persönlich haften, häufig selbst existenzbedrohend ist.

In der anwaltlichen Beratung bedarf es vertiefter Kenntnisse in diesem Bereich, um ergebnisorientiert zu beraten. Profitieren Sie von dem Umstand, dass wir Insolvenzverschleppungsansprüche aus beiden Perspektiven kennen, sowohl die Geltendmachung dieser Ansprüche auf Seiten des Insolvenzverwalters als auch in der Haftungsvermeidung oder Forderungsabwehr auf Seiten des Geschäftsführers, sei es in der laufenden Beratung des Geschäftsführers oder bei der Forderungsabwehr im Insolvenzverfahren.

28.05.2021, 14:00
Kategorien: Veröffentlichungen