Vorsicht ist geboten - Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im strafrechtlichen Kontext

Die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzeröffnungsgrund ist eine Kernaufgabe des insolvenzrechtlichen Gutachtens. Darin prüft der Insolvenzverwalter nach der betriebswirtschaftlichen Methode, ob über das betroffene Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Neben dieser klassischen zivilrechtlichen Verwendung, seit Jahren vom Bundesgerichtshof mit zahlreichen Entscheidungen gefestigt, ist die Zahlungsunfähigkeit aber auch im strafrechtlichen Kontext zu beleuchten. Hierbei spielt sie insbesondere für die Insolvenzverschleppung, § 15 a InsO, eine gewichtige Rolle. Dafür hat der Bundesgerichtshof die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit mittels wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen entwickelt. Aus einer Gesamtschau als „verwerflich“ anzusehender Rechtshandlungen wird dann eine strafrechtliche Prognose der Zahlungsunfähigkeit aufgestellt. Solche Beweisanzeichen stellen klassischerweise das Nichtzahlen von Löhnen oder Steuern, das Vorhandensein von Pfändungsmaßnahmen oder eidesstattlichen Versicherungen dar.

Die Staatsanwaltschaften und Strafgerichte haben in den letzten Jahren jedoch die Tendenz erkennen lassen, statt der eigenen strafrechtlichen Methode der Berechnung der Zahlungsunfähigkeit, die klassische betriebswirtschaftliche Methode der Insolvenzverwalter zu übernehmen. Doch dabei ist Vorsicht geboten. In Strafbefehlen oder Urteilen darf nicht einfach die Zahlungsunfähigkeitsfeststellung aus dem Insolvenzgutachten angeschrieben werden, vielmehr muss daneben noch eine Finanzplanrechnung aufgestellt werden. „Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese (betriebswirtschaftliche) Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen, ob innerhalb von drei Wochen mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen; das geschieht durch eine Finanzplanrechnung, aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben“, so BGH Beschluss vom 04.12.2018, Az. 4 StR 319/18. Die Darstellung der Liquiditätslage und der Rechenweg müssen dabei nachvollziehbar sein. Genau diese Geldmittel-Erwartung wird bei der klassischen betriebswirtschaftlichen Methode, einer reinen Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, eben nicht betrachtet.

Fehlte diese Finanzplanrechnung oder war sie zu ungenau, so wurden eben solche Urteile in letzter Zeit häufig vom Bundesgerichtshof durch die Revision aufgehoben. Daher müssen sowohl strafgerichtliche Urteile, wie auch Strafbefehle, in Zukunft noch genauer bezüglich der staatsanwaltlichen Begründung der Zahlungsunfähigkeit beleuchtet werden. Eine pauschale Begründung, möglich noch abgeschrieben aus dem Insolvenzgutachten, deckt hierbei keine Verurteilung.

Rechtsanwältin Sonja Weilermann

06.11.2019, 15:00
Kategorien: Veröffentlichungen