Vertragserfüllungsbürgschaft - Umfang der gesicherten Ansprüche und Zeitpunkt der Rückgabe

Die Parteien eines Bauvertrages streiten über die Wirksamkeit einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% des vereinbarten Nettopreises, die ihrem Wortlaut nach, sämtliche Ansprüche aus dem Bauvertrag umfassen soll, wobei der Auftraggeber bzw. Sicherungsnehmer berechtigt ist, die Bürgschaft über den Zeitpunkt der Abnahme hinaus, nämlich bis zur „Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel bzw. Erbringung der Restarbeiten“, zu behalten.

ENTSCHEIDUNG

Die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% des Nettopreises liegt deutlich oberhalb der grundsätzlich noch nicht unangemessenen Schwelle von 5% für Gewährleistungsbürgschaften und umfasst, nach Auffassung des Gerichts, auch Gewährleistungsansprüche, die im Zeitraum nach der Abnahme entstehen, mit der Folge, dass die AGB-Klausel zu dieser Bürgschaft unwirksam sei. Die Beseitigung einer unangemessenen Benachteiligung wäre nur bei einem durchsetzbaren Anspruch des Auftragnehmers auf Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft unmittelbar nach der Abnahme möglich. Diese Situation würde auch dem Regelungsinhalt des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B entsprechen. Vorliegend darf jedoch der Auftraggeber die Bürgschaft für einen unter Umständen erheblichen Zeitraum nach der Abnahme behalten, mit der Folge, dass auch in diesem Zeitraum entstandene Ansprüche abgesichert wären. Eine Beschränkung der Absicherung auf bis zur Abnahme entstandene Ansprüche ergebe sich jedenfalls nicht aus der Bezeichnung als Vertragserfüllungsbürgschaft.

OLG Frankfurt a. M. (21. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 28.10.2019 - 21 U 47/19

FAZIT

Wird vom Regelungssystem der VOB/B bezüglich der Sicherheitsleistungen abgewichen, besteht das Risiko, dass die vereinbarten Bürgschaften wegen Unwirksamkeit nicht in Anspruch genommen werden können.

04.05.2020, 09:00
Kategorien: Veröffentlichungen