Versagung der Restschuldbefreiung bei unrichtigen Angaben zu wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen eines Vergleichsangebotes

Unrichtige schriftliche Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können auch dann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn sie im Rahmen eines Vergleichsangebots erfolgen. So entschied der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung vom 18.11.2021.Unrichtige schriftliche Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können auch dann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn sie im Rahmen eines Vergleichsangebots erfolgen. So entschied der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung vom 18.11.2021.

Der BGH stellt klar, dass Schuldner bei einem von ihnen initiierten Insolvenzverfahrens mit begehrter Restschuldbefreiung gut daran tun, stets auch im Vorfeld bei Verhandlungen mit ihren Gläubigern richtige Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu geben; anderenfalls kann der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt sein.


Entscheidungsgründe
Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus:
“In dem auf Anträge vom 13. September 2013 und vom 11. Oktober 2013 am 13. November 2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners hat die Gläubigerin beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuldner unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht habe. Unstreitig hat die Gläubigerin gegen ihn mit Bescheid vom 9. August 2010 Tabaksteuern in Höhe von 79.832,59 € festgesetzt, nachdem sie zuvor verschiedene Vermögenswerte des Schuldners arretiert hatte. Mit Anwaltsschreiben vom 11. März 2011 bat der Schuldner wie folgt um Stundung:


(Anwaltsschreibens verkürzt dargestellt)
(…) Er hat bereits mehrfach versucht, einen Kredit aufzunehmen und dabei sein Haus alsSicherheit anzubieten.“


Dem Schreiben lag ein Wertgutachten an, welches den Schuldner als Eigentümer des zu belastenden Grundstücks auswies. Tatsächlich gehörte das Grundstück nicht dem Schuldner. Er hatte es mit notariellem Kaufvertrag vom 16. April 2010 verkauft. Die Käuferin war am 14. September 2010 als Eigentümerin eingetragen worden.


Das Insolvenzgericht hat den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht - Einzelrichter - zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin weiterhin erreichen, dass die Restschuldbefreiung versagt wird.


Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums der Einzelrichter entschieden hat. Der angefochtene Beschluss unterliegt indes der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er - wie hier - mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 56/19, WM 2020, 1077 Rn. 3 mwN). Die Rechtsbeschwerde hat die Entscheidung durch den Einzelrichter gerügt; der in der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter liegende Verfassungsverstoß wäre aber auch von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen.


Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin: Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Auf der Grundlage der von den Vorinstanzen bisher getroffenen Feststellungen sind diese Voraussetzungen erfüllt.
(…)


2. Der Schuldner hat schriftlich unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht.


a) Im Schreiben vom 11. März 2011 hat der Schuldner angeboten, zur Sicherung der Forderung der Beklagten eine Grundschuld an einem ihm gehörenden Grundstück einzuräumen. Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, konnte das Schreiben nur so verstanden werden, dass das zu belastende Grundstück im Eigentum des Schuldners stand.


b) Die Angaben im Anwaltsschreiben muss sich der Schuldner als eigene zurechnen lassen. Eine schriftliche Erklärung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn er die entsprechenden Erklärungen nicht selbst formuliert hat, sondern durch einen Dritten hat abfassen lassen. Der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt kein vom Schuldner unterzeichnetes eigenhändiges Schriftstück voraus. Unrichtige schriftliche Angaben, die der Schuldner zwar nicht persönlich niedergelegt hat, die jedoch mit seinem Wissen und seiner Billigung an den Empfänger weitergeleitet worden sind, entsprechen dem Unrechtsgehalt, den § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sanktionieren will; sie werden von der Vorschrift in gleicher Weise erfasst (BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 144; vom 9. März 2006 - IX ZB 19/05, NZI 2006, 414 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 290 Rn. 51; K. Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 290 Rn. 37). Der Schuldner hat nicht behauptet, dass sein Anwalt eigenmächtig gehandelt habe oder auch nur in Einzelheiten von seinen Anweisungen abgewichen sei.


c) Der Schuldner handelte vorsätzlich. Er wusste, dass ihm das zu belastende Grundstück nicht gehörte.
(…)


4. Sie erfolgten schließlich mit dem Ziel, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.


a) Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt, wie der Wortlaut "um ... zu" verdeutlicht, ein finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung, der Leistungsbeziehung und/oder der Leistungsvermeidung, voraus. Ob die Leistungen im Ergebnis erreicht oder vermieden wurden, ist unerheblich. Da sich die Unredlichkeit des Schuldners in dem zielgerichteten Handeln hinreichend manifestiert, ist es, wenn zwischen den unrichtigen Angaben und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang besteht, ohne Bedeutung, ob der Schuldner mit Hilfe der Falschangaben sein Ziel tatsächlich erreicht hat (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZB 189/06, NZI 2008, 195 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 290 Rn. 56; HK-InsO/Waltenberger, 10. Aufl., § 290 Rn. 19).


b) Der Begriff "Kredit" in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist weit auszulegen. Er umfasst jede Form von Darlehen, Zahlungsaufschub oder Finanzierungshilfe (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO Rn. 54; K. Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 290 Rn. 39). Eine "Leistungsvermeidung" im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist unproblematisch dann gewollt, wenn es dem Schuldner darum geht, bestandskräftige Steuern nicht bezahlen zu müssen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzuwehren. Gerade bei Anträgen auf Stundung von Steuerrückständen gemäß § 222 AO oder auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 258 AO) werden häufig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO Rn. 55). Unrichtige Angaben zur Vermeidung von Steuerzahlungen sind schon in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung vom 15. April 1992 als Beispiel einer unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallenden Verhaltensweise aufgeführt (BT-Drucks. 12/2443, S. 190 zu § 239 RegE-InsO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 - IX ZB 199/09, NZI 2011, 149 Rn. 6).


Dem Schuldner ging es, wie sich aus dem Schreiben vom 11. März 2011 hinreichend deutlich ergibt, um die Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides vom 9. August 2010 und um die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte.


c) Das Beschwerdegericht hat einen finalen Zusammenhang zwischen der Falschangabe im Schreiben vom 11. März 2011 und einer Leistungsvermeidung nicht erkennen können, weil die Steuerschuld bestandskräftig festgestellt und vorläufig gesichert worden sei. Dem Schuldner könne es allenfalls darum gegangen sein, erst später zahlen zu müssen. Selbst wenn dies zuträfe, wäre der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO jedoch erfüllt. Auch ein Zahlungsaufschub oder eine Stundung stellen eine Leistungsvermeidung im Sinne dieser Vorschrift dar. Überdies ging es dem Schuldner, wie aus Nr. 3 seines Vergleichsvorschlags ersichtlich, auch um die Freigabe der von der Gläubigerin sichergestellten Vermögenswerte.Das Beschwerdegericht hat weiter darauf verwiesen, dass der Schuldner die unrichtigen Angaben im Rahmen eines Vergleichsvorschlags gemacht habe. Zu entsprechenden Angaben sei er nicht verpflichtet gewesen. Eine Offenbarungspflicht habe nicht bestanden. Auch das steht der Annahme einer beabsichtigten Leistungsvermeidung jedoch nicht entgegen. Der Schuldner brauchte der Gläubigerin keinen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Wenn er es tat, durfte der Vorschlag aber keine unzutreffenden Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners enthalten. Zugeständnisse des Gläubigers hinsichtlich der Höhe, der Fälligkeit oder der Durchsetzung einer bereits festgestellten Forderung oder hinsichtlich der Verwertung bereits erlangter Sicherheiten, die durch unwahre Angaben erschlichen werden oder nach Vorstellung des Schuldners erschlichen werden sollen, unterfallen dem Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO


Das Beschwerdegericht hat schließlich gemeint, der Vortrag des Schuldners, die neue Grundstückseigentümerin hätte die Sicherungshypothek bewilligt, sei nicht widerlegbar. Der Schuldner habe damit eine Sicherheit angeboten. Diese Überlegung trägt ebenfalls nicht. Der Schuldner hat keine Sicherheit an einem fremden Grundstück angeboten, sondern behauptet, das Grundstück gehöre ihm. Die bestehenden Sicherheiten sollten dem Schreiben vom 11. März 2011 zufolge gerade freigegeben werden.”

Resümee
Aufgrund des beherzten Verfolgens seines Versagungsantrages ist dem Fiskus diese Entscheidung zu verdanken, die wieder einmal aufzeigt, dass nur der redliche Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen soll.

BGH, Beschluss vom 18.November 2021 – IX ZB 1/21