Verhaltensbedingte Kündigung wegen Arbeitsverweigerung – Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung

Im Fall von ausbleibenden Lohnzahlungen durch den Arbeitgeber ist bei der Zurückbehaltung der Arbeitsleistung Vorsicht geboten.

Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruchs zurückzuhalten. Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei nach der Rechtsprechung des BAG jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten.

Liegen die Voraussetzungen zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts tatsächlich nicht vor, und verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG, Urteil vom 22.10.2015 - 2 AZR).

Dem Arbeitnehmer droht im Fall der unrechtmäßigen Ausübung des Zurückbehaltungsrechts die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dies hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einer aktuellen Entscheidung vom 01.06.2021 (7 Sa 473/20) bestätigt.

Das LAG Nürnberg hat in dieser Entscheidung zunächst auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, nach der die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet ist, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage.

Im konkreten Fall hatte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung über Monate in der irrigen Annahme, ihr würde ein Leistungsverweigerungsrecht wegen rückständiger Lohnzahlungen zustehen, verweigert, worauf ihr schließlich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wurde.

Zu Recht, wie das LAG Nürnberg festgestellt hat. Die Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stellt einen Verstoß gegen die dem Arbeitnehmer obliegende vertragliche Hauptleistungspflicht zur Arbeit nach § 611 BGB dar. Der Verstoß war auch beharrlich, da er über Monate hinweg fortgesetzt wurde bis zum Ausspruch der Kündigung. Der Vertragsverstoß war schließlich rechtswidrig und schuldhaft, da der Arbeitnehmerin kein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft zur Seite stand. Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts lagen lediglich Gehaltsrückstände von weniger als einem Bruttomonatsentgelt vor.

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 01.06.2021 – 7 Sa 473/20

08.09.2021, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht