Verfallklauseln in Arbeitsverträgen – AGB-Kontrolle

In nahezu allen Arbeitsverträgen finden sich sog. Verfallklauseln, die regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von mindestens drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden (1. Stufe) und sodann nach Ablehnung oder ausbleibender Reaktion von Seiten des Arbeitgebers nicht innerhalb einer weiteren Frist von mindestens drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden (2. Stufe).

Im Rahmen eines nunmehr am 08.10.2022 veröffentlichten Urteils (Urteil vom 05.07.2022 – 9 AZR 341/21) hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut mit der Wirksamkeit solcher Verfallklauseln in Arbeitsverträgen befasst.

In dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte die klagende Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus Vorjahren geltend gemacht. Die beklagte Arbeitgeberin hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Abgeltungsanspruch sei gemäß der im Arbeitsvertrag enthaltenen Verfallklausel verfallen, da die Klägerin ihn nicht binnen der dort bestimmten Frist geltend gemacht habe.

Das BAG hat im Rahmen des Urteils zunächst festgestellt, dass es sich bei der Verfallklausel im Arbeitsvertrag um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt und diese nicht überraschend oder ungewöhnlich i.S.d. § 305c BGB ist. Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist entspreche einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben.

Einer Verfallklausel, die „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ erfasst, unterliegen auch Ansprüche eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch. Dem stehe weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen.

Die der Entscheidung zugrundeliegende Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag stellte sich jedoch als unwirksam dar, da sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt. Die Verfallklausel konnte deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden.

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Verstößt eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Ausschlussfristenregelung gegen § 202 Abs. 1 BGB, führt dies zur Gesamtunwirksamkeit einer - wie im Streitfall - nicht teilbaren Klausel.
Nach Ansicht des BAG konnte sich die beklagte Arbeitgeberin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, nachdem der Arbeitsvertrag mit der Verfallklausel bereits im Jahr 2011 abgeschlossen worden war.

Die Beklagte als Verwenderin hätte die Klausel unmissverständlich gesetzeskonform fassen können. Sie hätte statt der Formulierung „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ im selben Satz zum Ausdruck bringen können, dass „alle beiderseitigen Ansprüche mit Ausnahme solcher aus einer vorsätzlichen Handlung“ verfallen oder dies durch einen weiteren Satz (z.B. „Diese Regelung erfasst nicht Ansprüche der Parteien aus einer vorsätzlichen Handlung“) klarstellen können.

Das aktuelle Urteil des BAG zeigt erneut, dass Verfallklauseln in Arbeitsverträgen oftmals einer AGB-Kontrolle nicht standhalten und sich im Ergebnis als unwirksam darstellen. Arbeitgeber sind aufgerufen, die in ihren Arbeitsverträgen verwendeten Verfallklauseln regelmäßig zu prüfen und an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzupassen.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.07.2022 – 9 AZR 341/21

12.10.2022, 10:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht