Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit II

Bereits im Rahmen unserer Veröffentlichung vom 09.04.2021 hatten wir die umstrittene Frage thematisiert, ob in Fällen konjunkturbedingter Kurzarbeit infolge der Corona-Krise eine Kürzung des Urlaubsanspruchs möglich ist und haben insoweit die Urteile des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2012 (EuGH v. 08.12.2012, Az. C-229/11 und C-230/11) und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.03.2021
(6 Sa 824/20) erörtert.

Im Rahmen von zwei aktuellen Urteilen hatte sich nunmehr auch das Bundesarbeitsgericht mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit sich Kurzarbeit auf die Höhe des Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auswirkt und insoweit im Rahmen der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.03.2021 entschieden, dass der vollständige Ausfall von Arbeitstagen aufgrund von Kurzarbeit (“Kurzarbeit Null”) bei der Berechnung des Jahresurlaubsanspruchs zu berücksichtigen ist.

Nach den Darlegungen des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs.
Dabei sei unerheblich, ob die Kurzarbeit wirksam durch einzelvertragliche Regelung (Kurzarbeitsvereinbarung) oder aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist. Für Zeiträume ohne Arbeitsverpflichtung besteht mithin kein Anspruch auf anteiligen Urlaub.

In dem der Entscheidung vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) zu Grunde liegenden Fall war die Klägerin bei der Beklagten an drei Tagen in der Woche als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden. Dies entsprach bei einer vereinbarten Dreitagewoche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.

Aufgrund des Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie führte der Arbeitgeber Kurzarbeit ein. Dazu wurden mit der Klägerin Kurzarbeitsvereinbarungen abgeschlossen, auf deren Grundlage die Klägerin u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.

Aus Anlass der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm der beklagte Arbeitgeber eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Er bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.

Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21und 9 AZR 234/21

08.12.2021, 11:45
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht