Unfall mit dem E-Bike: Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten und Fahrradhelmkosten

Ganz unzweifelhaft muss der Kraftfahrthaftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs für die unfallursächlichen Schadensersatzansprüche des Geschädigten aufkommen. Dies gilt auch für die Schadensermittlungskosten, namentlich die Kosten eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke der Feststellung des entstandenen Fahrzeugschadens.

Das Amtsgericht Ansbach beschäftigte sich in seinem Urteil vom 03.11.2021 mit der Frage, ob dementsprechend auch die Kosten eines Gutachtens zur Feststellung der an einem E-Bike entstandenen Schäden zu übernehmen sind. Ferner war zu klären, ob dem Geschädigten der Kauf eines gebrauchten Fahrradhelms als Ersatz für seinen beschädigten Helm zumutbar sei.

Der Kläger kollidierte auf seinem E-Bike (Anschaffungswert etwa 2.800,00 €) mit einem Auto, dessen Fahrer unstrittig das alleinige Verschulden an dem Unfall trug. Der vom Kläger beauftragte Sachverständige hatte einen Totalschaden an dem E-Bike festgestellt und ihm für das Gutachten Gebühren in Höhe von etwa 460,- € in Rechnung gestellt. Die Versicherung zahlte den beanspruchten Wertersatz für das E-Bike, verweigerte aber die Übernahme der Kosten des Gutachtens, weil der Sachverständige hierfür als KFZ-Gutachter gar nicht genügend qualifiziert gewesen sei und der (offensichtliche) Totalschaden auch ohne Gutachten hätte festgestellt werden können. Für die daraufhin eingeholte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen hinsichtlich seiner ausreichenden Qualifikation verlangte dieser einen weiteren Betrag in Höhe von 116,00 €. Der Versicherer lehnte die Regulierung der Sachverständigenkosten in Gänze weiterhin ab. Hinsichtlich des bei dem Unfall beschädigten Fahrradhelms mit einem beanspruchten Anschaffungswert von 150,00 € nahm der Versicherer einen „Abzug Neu für Alt“ vor.

Der Kläger begehrte nun vom Versicherer, der vorgerichtlich den entstandenen Schaden am E-Bike und den Personenschaden reguliert hatte, noch die ihm versagte Regulierung der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens nebst Stellungnahme sowie des neu angeschafften Fahrradhelms.

Das Amtsgericht gab dem Kläger Recht. Die Versicherung müsse für die Gutachterkosten aufkommen und auch für die Anschaffung eines neuen Fahrradhelmes.

Die Einholung des Sachverständigengutachtens sei erforderlich gewesen. Der Kläger habe nicht gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. Das E-Bike habe bei dessen Anschaffung einen so erheblichen Wert gehabt, dass von einem Verstoß gegen eine Bagatellgrenze keine Rede sein könne. Für den Kläger als Laien sei die Einstufung als Totalschaden angesichts der Schadensbilder, bei denen doch in erster Linie der Schaden am Vorderrad erkennbar sei, auch nicht zwingend erkennbar gewesen. Am Gutachten selbst sei ebenfalls nichts auszusetzen. Es entspreche einem üblichen Kraftfahrzeuggutachten, dessen Grundsätze auch für ein E-Bike herangezogen werden könnten. Schließlich ginge aus der ergänzenden Stellungnahme und der beigefügten Fortbildungsbescheinigung auch die notwendige Qualifikation des Gutachters hervor. Es gebe keine Ausbildung zum Fahrradsachverständigen, sondern nur Weiterbildungen. Wegen der bestehenden Zweifel des Versicherers hieran sei auch die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen erforderlich gewesen.

Auch sei der Neuwert des Fahrradhelmes vom Versicherer zu erstatten. Denn ein Abzug „Neu für Alt“ sei nur dann gerechtfertigt, wenn auch die Möglichkeit bestünde, einen entsprechenden, gleichwertigen Ersatz günstiger zu erlangen. Ungeachtet der zweifelhaften Frage, ob überhaupt ein Gebrauchtmarkt für Helme existiere, sei dem Geschädigten ein gebrauchter Helm jedoch nicht zumutbar. Es könne nicht vom Geschädigten verlangt werden, einen gebrauchten Helm zu kaufen, der von einer ihm unbekannten Person getragen wurde. So diene ein Fahrradhelm schließlich dem Schutz des Kopfes vor den Folgen eines schweren Unfalls. Bei einem gebrauchten Helm sei nicht unbedingt äußerlich erkennbar, ob dieser bereits wegen eines Sturzes vorgeschädigt sei, und damit nicht sichergestellt, dass dieser seine Schutzfunktion noch vollständig erfülle. Daher habe der Geschädigte einen Anspruch auf Erstattung des Neupreises des Helmes.


Amtsgericht Ansbach, Urteil vom 03.11.2021 – 1 C 571/21

24.03.2022, 11:45
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht