Radfahrer muss sich vor Linksabbiegen zur Fahrbahnmitte einordnen und zweite Rückschau vornehmen

Das OLG Düsseldorf entschied mit Endurteil vom 07.12.2021, dass sich ein nach links abbiegender Radfahrer zur Mitte der Fahrbahn einordnen und eine zweite Rückschau vornehmen muss.

Im zu entscheidenden Fall wollte der Kläger nach links abbiegen, um einen Baumarkt aufzusuchen. Dabei kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1, welches bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist. Der Beklagte zu 1 wollte den Kläger überholen. Der Kläger behauptete, vor dem Abbiegen ein Handzeichen gegeben zu haben. Die Beklagten trugen vor, dass der Kläger plötzlich nach links gefahren sei.

Das LG Duisburg (Urteil vom 20.10.2020, Az. 12 O 87/19) hat der Klage teilweise stattgegeben und nahm eine Haftungsquote der Beklagten von 2/3 an. Daraufhin legten die Beklagten Berufung ein.

Das OLG Düsseldorf wies die Klage ab. Der Kläger habe den Unfall gemäß § 9 Abs. 5 StVO verschuldet. Danach muss die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bei dem Abbiegevorgang ausgeschlossen sein.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen befand sich der Beklagte zu 1 bei der von dem Kläger behaupteten zweiten Rückschau bereits erkennbar im Überholvorgang. Wenn aber der Kläger bei erkennbar bereits begonnenem Überholmanöver gleichwohl seinen Abbiegevorgang in ein Grundstück fortsetzt, hat er nicht die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen, wie dies von § 9 Abs. StVO gefordert werde. Sollte er aber, wovon das LG ausgegangen ist, die zweite Rückschau entgegen seinen Angaben nicht durchgeführt haben, beruhe sein Verschulden (auch) auf der unterlassenen Rückschau.

Der Kläger habe zudem gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen. Er habe sich nicht bis zur Mitte der Straße eingeordnet, sondern allenfalls bis zur Mitte des eigenen Fahrstreifens.

Hinsichtlich eines etwaigen Mitverschuldens des Beklagten zu 1 führte das OLG Düsseldorf aus, dass das LG Duisburg dem Beklagten zu 1 zu Unrecht einen Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO – wonach das Überholen bei unklarer Verkehrslage unzulässig ist – angelastet habe.

Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen allein darauf abgestellt, dass der Kläger vorgebracht habe, vor dem Abbiegen ein Handzeichen gegeben zu haben. Die Beklagten haben das Handzeichen bestritten. Die non-liquet Situation gehe zu Lasten des Klägers, dem die Beweislast für das Verschulden des Beklagten zu 1 und damit für das Vorliegen einer unklaren Verkehrslage obliege.

Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 tritt vollständig hinter dem grob verkehrswidrigen Verhalten des Klägers zurück. Der Verstoß des Klägers gegen § 9 Abs. 5 StVO wiegt schwer, weil nach der Vorschrift gefordert wird, dass eine Gefährdung ausgeschlossen wird. Daher schuldet der Verkehrsteilnehmer äußerste Sorgfalt.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2021 – 1 U 216/20

25.01.2023, 11:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht