Pfändungsschutz einer Rückdeckungsversicherung für Pensionszusage

Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind.

(BGH, Beschluss vom 29. April 2021 – IX ZB 25/20 –, juris)


Anmerkung

Der Verfasser ist hier als Insolvenzverwalter selbst Beteiligter des Beschwerdeverfahrens. Die Vorinstanz sah einen erweiterten Pfändungsschutz für nicht gegeben an und lehnte eine Pfandfreistellung für den Schuldner ab. Der BGH entschied nun, dass eine Pfandfreistellung grundsätzlich im Rahmen des § 850 i ZPO möglich, jedoch im zu entscheidenden Fall der Sachverhalt und das Rechtsschutzinteresse des Schuldners von der Vorinstanz noch weiter zu untersuchen und zu würdigen sei.


Sachverhalt

Im Jahr 2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des im Jahr 1949 geborenen Schuldners eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner bezieht eine gesetzliche Altersrente. Er war zuvor Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die ihm eine Versorgungszusage erteilt hatte, nach der er ab Erreichen des 65. Lebensjahres eine Pension von monatlich 3.000 DM, wahlweise eine Kapitalabfindung beanspruchen konnte. Zur Sicherung des Versorgungsanspruchs verpfändete ihm die GmbH zwei von ihr bei der A. AG als Rückdeckungsversicherungen abgeschlossene Lebensversicherungen mit Kapitalwahlrecht. Die Versicherungszeiträume waren zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners abgelaufen. Die Ablaufleistungen der Versicherungen betrugen 129.297,70 € und 144.508,92 €.

Die Versicherungsleistungen wurden am 21. März 2018 einem von dem Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkonto gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 31. März 2018 beantragte der Schuldner, ihm einen Betrag von 647,22 € monatlich pfandfrei zu belassen und den Insolvenzverwalter anzuweisen, zur Sicherung der Unterhaltsrente einen Betrag von 140.000 € nicht für die Masse zu verwerten. Der Insolvenzverwalter trat dem insbesondere mit der Auffassung entgegen, § 850i ZPO sei nicht mehr anwendbar, weil die Versicherungsleistungen vor Stellung des Pfändungsschutzantrags ausbezahlt worden seien.

Das Insolvenzgericht hat angeordnet, dem Schuldner insgesamt einen Teilbetrag von 6.922,40 € nach § 850i ZPO pfandfrei zu belassen, wobei es nach Würdigung von Bedarf und Einkommen eine monatliche Unterdeckung in Höhe von 173,06 € angenommen und als angemessenen Zeitraum im Sinne des § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO - entsprechend der Zeitspanne zwischen Antragstellung und Ablauf der Abtretungserklärung - 40 Monate zu Grunde gelegt hat. Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Schuldner als auch der weitere Beteiligte sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss abgeändert, den Antrag auf Pfändungsschutz insgesamt zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Die Beschwerdeentscheidung ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners am 5. Juni 2019 zugestellt worden. Mit am gleichen Tag beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz vom 3. Juli 2019 hat der Schuldner Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts beantragt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein ursprüngliches Begehren weiter.


Entscheidungsgründe

Der BGH sah einen Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO, der grundsätzlich zwar anwendbar wäre, letztlich aber wegen der fehlenden Tatbestandsvoraussetzungen als nicht gegeben an und folgte insoweit der Ansicht der Beschwerdeinstanz.

Zur Begründung führt der BGH jedoch weiter u.a. aus:

“Der durch den Schuldner beantragte Pfändungsschutz nach § 850i ZPO ist nicht aus den von dem Beschwerdegericht angeführten Gründen ausgeschlossen.

aa) Der Antrag, Pfändungsschutz für sonstige Vergütungen gemäß § 850i ZPO zu gewähren, ist an keine Frist gebunden, muss aber vor Beendigung des Vollstreckungsverfahrens gestellt werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners für einen Vollstreckungsschutzantrag entfällt, jedenfalls soweit es die Einzelzwangsvollstreckung betrifft, wenn der Drittschuldner an den Gläubiger gezahlt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - IX ZA 42/09, BeckRS 2010, 3666 Rn. 2 mwN; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 12. Auflage, § 850i Rn. 49; BeckOK-ZPO/Riedel, 2020, § 850i Rn. 14; Deppe in Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenz, § 850i ZPO Rn. 13).

Dem Rechtsschutzinteresse des Schuldners für einen Pfändungsschutzantrag gemäß § 850i ZPO, § 36 Abs. 1 InsO steht nicht entgegen, dass die Versicherungsleistungen vor der Antragstellung einem Anderkonto des Insolvenzverwalters gutgeschrieben worden sind. Soweit das Beschwerdegericht von der Einzahlung auf ein "Insolvenzanderkonto" ausgeht, ist damit nach dem Akteninhalt ein Anderkonto des weiteren Beteiligten als Kontoinhaber, nicht aber ein Konto gemeint, das die Masse als materiell berechtigt ausweist (sogenanntes Insolvenz-Sonderkonto). Bei einem Anderkonto handelt es sich um ein offenes Vollrechtstreuhandkonto, aus dem ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - IX ZR 47/18, BGHZ 221, 87 Rn. 32). Im Fall der Zahlung auf ein Anderkonto hat der Drittschuldner weder in das dem Insolvenzbeschlag unterliegende Schuldnervermögen noch in die Masse geleistet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 192/07, NZI 2009, 245 Rn. 10).

Es kann daher dahinstehen, ob Pfändungsschutz nach § 850i ZPO aufgrund der schuldbefreienden Wirkung der Leistung des Drittschuldners nicht mehr gewährt werden kann, sobald die Zahlung einem Sonderkonto der Masse gutgeschrieben worden ist, bevor der Antrag gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - IX ZA 42/09, BeckRS 2010, 3666 Rn. 2; Urteil vom 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09, BGHZ 186, 242 Rn. 15; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 12. Auf., § 850i Rn. 49 f; differenzierend AG Norderstedt, ZInsO 2017, 2189, 2191).

bb) Die dem Schuldner verpfändeten Versicherungsansprüche unterfallen dem Anwendungsbereich des § 850i ZPO.

(1) Nach § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht dem Schuldner, wenn sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet werden, auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, Abs. 2a ZPO bestimmten Beträge gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 850e, 850f Abs. 1 ZPO verbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2018 - IX ZB 19/18, NZI 2018, 899 Rn. 10 mwN).

Die Regelung will vornehmlich Einkünfte Selbstständiger und generell solche aus nicht abhängiger Tätigkeit einem Pfändungsschutz zuführen (vgl. Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 850i ZPO Rn. 1). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, WM 2014, 1485 Rn. 10 ff; vom 23. April 2015 - VII ZB 65/12, WM 2015, 1291 Rn. 9; vom 27. September 2018 - IX ZB 19/18, NZI 2018, 899 Rn. 10). Unter die Vorschrift fallen auch Einkünfte aus kapitalistischer Tätigkeit, etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und aus der Verwertung von Eigentum des Schuldners resultierende Forderungen, unabhängig davon, ob das zur Entstehung der Forderung verwertete Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2018, aaO mwN). Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung, ihrer systematischen Auslegung und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014, aaO). Im Insolvenzverfahren wie im Verfahren der Einzelzwangsvollstreckung soll gewährleistet werden, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2019 - IX ZB 56/18, WM 2019, 2205 Rn. 5). Ein weitergehender Schutz des Schuldners ist vom Gesetz nicht beabsichtigt, weil dieses auch die Interessen des Gläubigers an einer effektiven Befriedigung berechtigter Forderungen berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund stellen Geldforderungen, die der Schuldner nicht aufgrund wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 850i ZPO dar. Solche Einkünfte, welche ein Schuldner nicht selbst erzielt hat, sind etwa Geschenke, Lottogewinne und erbrechtliche Ansprüche (BGH, Beschluss vom 27. September 2018 - IX ZB 19/18, NZI 2018, 899 Rn. 11; vom 26. September 2019 - IX ZB 21/19, NZI 2019, 975 Rn. 9).

(2) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den Ansprüchen des Schuldners aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen um selbst erwirtschaftete Einkünfte.

Die dem Schuldner erteilte Pensionszusage hat nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter und steht damit der Leistung des Schuldners auch als Gegenleistung aus dem Dienstverhältnis gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 - IX ZR 231/19, NZI 2021, 90 Rn. 24). Diese Pensionszusage wurde durch die verpfändeten Rückdeckungsversicherungen abgesichert. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist die Pensionszusage als Teil der Vergütung des Schuldners zu sehen, die durch ihn selbst erwirtschaftet worden ist. In der Folge sind die Ansprüche des Schuldners aus den ihm verpfändeten Rückdeckungsversicherungen vollstreckungsrechtlich wie von ihm selbst erwirtschaftete Einkünfte zu behandeln.

cc) Einem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO steht nicht entgegen, dass die Ansprüche aus den Versicherungen nicht die Anforderungen an eine nach § 851c ZPO geschützte Altersvorsorge erfüllen.

Nach § 850i Abs. 3 ZPO bleiben die Bestimmungen der Versicherungs-, Versorgungs- und sonstigen gesetzlichen Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen bestimmter Art unberührt. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich bei den besonderen Pfändungsschutzvorschriften der § 851a ZPO (Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse), § 851b ZPO (Miet- und Pachtzinsen), § 851c ZPO (Altersrenten), § 851d ZPO (steuerlich gefördertes Altersvorsorgevermögen) und § 852 ZPO (Pflichtteil, Zugewinnausgleich, Herausgabe eines Geschenks) im Verhältnis zu § 850i ZPO um abschließende Sonderregelungen handelt oder ob sie einen ergänzenden Pfändungsschutz für bestimmte Einkünfte gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 88/13, WM 2014, 1485 Rn. 15).

Zwar wird § 851c ZPO als Sonderregelung angesehen, die speziell für den Pfändungsschutz der Altersvorsorge Selbständiger bestimmt ist (vgl. Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 850i ZPO Rn. 11; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 12. Aufl., § 850i Rn. 26; Kessal-Wulf/Lorenz/Els in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., § 850i ZPO Rn. 2). Vorrangig sind die spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 851c, 851d ZPO, soweit es um den automatischen Pfändungsschutz für laufende Zahlungen und den Schutz des Vorsorgekapitals geht (Prütting/Gehrlein/Ahrens, aaO Rn. 28). § 850i ZPO findet auf Fallgestaltungen, für die die spezielle Schutzregelung des § 851c ZPO gilt, keine Anwendung (vgl. BeckOK-ZPO/Riedel, 2021, § 850i Rn. 12; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., C.515; Meller-Hannich, WM 2011, 529, 532 f). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein an sich nach § 850i ZPO begründeter Pfändungsschutz immer dann entfällt, wenn die betreffenden Einkünfte zugleich einzelne, jedoch nicht alle der Voraussetzungen des § 851c ZPO erfüllen. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof einen Pfändungsschutz nach Maßgabe des § 850i ZPO für Lebensversicherungen als Altersversorgung abhängig Beschäftigter für möglich gehalten, die nicht unter § 850 Abs. 3 Buchst. b ZPO fallen, weil sie nicht als Rente, sondern als Kapitalabfindung gewährt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - VII ZB 16/08, WM 2008, 2265 Rn. 9; vom 11. November 2010 - VII ZB 87/09, r+s 2011, 32 Rn. 13). Ferner hat das Bundesarbeitsgericht den Pfändungsschutz für Kapitalleistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung dem Anwendungsbereich des § 850i ZPO zugeordnet (vgl. BAG, Urteil vom 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10, BAGE 141, 259 Rn. 81).

Die Annahme des Beschwerdegerichts, bei § 851c ZPO handele es sich um eine abschließende Sonderregelung mit Sperrwirkung, wenn eine tatbestandliche Überschneidung mit anderen Pfändungsschutznormen zwar nicht vorläge, aber eine Versicherungsleistung mit Versorgungsfunktion betroffen wäre, erforderte eine Abgrenzung, wann eine Versicherungsleistung, die nicht in den Anwendungsbereich des § 851c ZPO fiele, von der Ausschlusswirkung erfasst würde, die diese Norm für jeglichen Pfändungsschutz nach anderen Vorschriften bewirken würde. Dies führte zu Wertungswidersprüchen, die weder in dem Gesetzeszweck des § 851c ZPO noch in dem des § 850i ZPO eine Rechtfertigung finden. Es widerspräche dem Zweck des § 850i ZPO, Schutzlücken für Selbständige zu schließen (vgl. Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 12. Aufl., § 850i Rn. 1 ff), wenn nach § 850i ZPO zwar Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen ohne Rentenwahlrecht geschützt würden, da keine der Voraussetzungen des § 851c ZPO erfüllt wären, aber bei Leistungen aus Lebensversicherungen mit Renten- und Kapitalwahlrecht, sofern und soweit diese ebenfalls eigenständig erwirtschaftete Einkünfte darstellen und wirtschaftlich an die Stelle eines nicht mehr erwirtschafteten Einkommens treten können, aufgrund einer Sperrwirkung des § 851c ZPO jeglicher Pfändungsschutz entfiele. Das liefe dem Schutzgedanken des § 850i ZPO, alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte des Schuldners der Unterhaltssicherung verfügbar zu machen, zuwider. Die mit § 850i ZPO verfolgte Absicht des Gesetzgebers, den Pfändungsschutz für nicht abhängig Erwerbstätige auf den gesamten selbst erwirtschafteten Lebensunterhalt zu erweitern und so das Existenzminimum zu schützen, um öffentliche Haushalte von Transferleistungen zu entlasten, streitet dagegen, diese Zwecke bei Einkünften aus Versicherungen, die nicht nach § 851c ZPO (oder § 850 Abs. 3 Buchst. b ZPO oder § 851d ZPO) qualifiziert sind, zurückzustellen.

Auch aus Wortlaut, Systematik und Zweck des § 851c ZPO lässt sich die Annahme einer solchen Sperrwirkung nicht begründen. Die Funktion der qualifizierten Anforderungen des § 851c ZPO wird nicht unterlaufen, wenn Leistungen aus Kapitallebensversicherungen nach Maßgabe des § 850i ZPO geschützt werden, denn der von dieser Vorschrift bewirkte Pfändungsschutz unterscheidet sich grundlegend von dem des von Amts wegen zu gewährenden Schutzes nach § 851c ZPO. So wird die Pfandfreistellung des Leistungsbezugs nach § 851c Abs. 1 ZPO im Unterschied zu § 850i ZPO nicht auf eine angemessene Zeitspanne beschränkt und ist anders als im Rahmen des Pfändungsschutzes nach § 850i ZPO auch nicht von einer Schätzung abhängig, die auch die bloße Möglichkeit anderweitigen Erwerbes einschränkend berücksichtigen kann. § 851c Abs. 2 ZPO schützt bereits vor dem Versicherungsfall das Deckungskapital, was ebenfalls bei § 850i ZPO keine Entsprechung findet. Die mit dem Schutz des Deckungskapitals nach § 851c Abs. 2 ZPO vollzogene Gleichstellung privater Versorgungsrenten mit gesetzlichen Rentenansprüchen und die damit bewirkte Einschränkung der Gläubigerrechte ist nach der Auffassung des Gesetzgebers nur unter der Voraussetzung der Sicherung der Altersvorsorgefunktion der Renten, die insbesondere im Falle einer Kapitalleistung nicht gegeben wäre, zu rechtfertigen (vgl. BT-Drucks. 16/886, S. 8, 10). Soweit Einmalzahlungen aus Kapitallebensversicherungen nach § 850i ZPO einen antragsabhängigen Pfändungsschutz für einen zeitlich begrenzten Referenzzeitraum erfahren, wird regelmäßig nicht die gesamte Leistung pfändungsfrei. Der Vermögensstamm als solcher erfährt keinen Vollstreckungsschutz (vgl. Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 12. Aufl., § 850i Rn. 28; ähnlich BeckOK-ZPO/Riedel, 2020, § 850i Rn. 12; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - VII ZB 16/08, WM 2008, 2265 Rn. 9). Der Schutz des § 850i ZPO zielt lediglich auf die Erhaltung von Mitteln, die der Schuldner für einen begrenzten Zeitraum für sein Existenzminimum konkret benötigt.

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 und Abs. 5 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden sind. Das Beschwerdegericht wird zu prüfen haben, ob das Rechtsschutzinteresse zum Zeitpunkt des Pfändungsschutzantrages noch bestand, und sofern dies der Fall ist, in welcher Höhe dem Schuldner nach §§ 850i, 850c Abs. 1, Abs. 2a ZPO Pfändungsschutz für die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen zu gewähren ist. Der Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO greift nicht stets in vollem Umfang durch. Zwar spielen in der Gesamtvollstreckung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten (§ 850i Abs. 1 Satz 2 ZPO) grundsätzlich keine Rolle, weil in der Insolvenz sämtliche pfändbaren Vermögensgegenstände (§ 36 Abs. 1 InsO) in die Masse fallen und deswegen zugunsten der Gläubiger verwertet werden. Auch ist § 850i Abs. 1 Satz 3 ZPO im Insolvenzverfahren nicht unmittelbar anwendbar, weil durch diese Regelung sichergestellt werden soll, dass die individuellen Belange des vollstreckenden Gläubigers - etwa seine über die allgemeinen Verhältnisse hinausgehende Schutzbedürftigkeit - Berücksichtigung finden. Im Insolvenzverfahren ist eine solche Abwägung zugunsten einzelner Gläubiger ausgeschlossen (vgl. Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362). Gleichwohl bedarf es nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850i Abs. 1 ZPO einer wertenden Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, ob und wie die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO unter Abwägung der Belange von Schuldner und Gläubiger zur Anwendung gelangen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 87/13, WM 2014, 1432 Rn. 14; vom 6. April 2017 - IX ZB 40/16, WM 2017, 913 Rn. 18). Das Beschwerdegericht wird zu beachten haben, dass der Zeitraum, für den Pfändungsschutz zu beanspruchen ist, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach freiem Ermessen zu bestimmen ist, wobei vorausschauend abzuschätzen ist, ob, wann und in welcher Höhe mit weiteren Einnahmen des Schuldners zu rechnen ist (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 18. Aufl., § 850i Rn. 6; Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 850i ZPO Rn. 23).”


Resümee

Der BGH hat nun klargestellt, dass auch die Leistungen einer Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht einen Pfändungsschutz nach § 850 i ZPO genießen können, wenn sie vollstreckungsrechtlich wie von dem Schuldner selbst erwirtschaftete Einkünfte angesehen werden können.

Das Gericht führt aber auch aus, dass es einer Einzelfallbetrachtung überlassen bleibt, in welcher Höhe hier ein Pfändungsschutz gewährt wird; eine vollständige Pfandfreistellung kommt nicht in Betracht.

Im vorliegenden Falle bleibt im Hinblick auf die erheblichen Versicherungswerte spannend, wie das Landgericht hier nun entscheiden wird.