Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeit

Nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in seiner aktuellen Fassung besteht für den Arbeitgeber keine generelle Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit. Gemäß § § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer, mithin Überstunden, aufzuzeichnen.

Bereits im Jahr 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Urteils die Mitgliedsstaaten verpflichtet, im Rahmen der nationalen gesetzlichen Regelungen sicherzustellen, dass Arbeitgeber ein System bereitstellen, dass die Erfassung der Arbeitszeit gewährleistet.

Die Vorgaben des EuGH hat der deutsche Gesetzgeber bislang nicht durch entsprechende Änderungen im Arbeitszeitgesetz umgesetzt.

Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen eines aktuellen Beschlusses (Az. 1 ABR 22/21) festgestellt, dass der Arbeitgeber bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gesetzlich verpflichtet ist, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

In dem diesem Beschluss zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte ein Betriebsrat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21 –
Pressemitteilung 35/22 vom 13.09.2022

16.09.2022, 11:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht