Mündlich erklärter „Pflichtteilsverzicht“

In einer instanzgerichtlichen Entscheidung vom 21.10.2020 hat das Landgericht Mosbach (2 O 279/18) entschieden, dass ein nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben erklärter Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils ohne notarielle Beurkundung wirksam ist.

Der Fall
Geklagt hatte ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht des durch Testament des Vaters enterbten Sohnes auf Auszahlung des Pflichtteils. Bereits zu Lebzeiten des Vaters hatte die Familie besprochen, dass der an die Ehefrau als Alleinerbin gehende Nachlass nicht durch Pflichtteilsansprüche geschmälert werden soll. Der Sohn hatte dies dem Vater zugesichert. Nach dem Tod des Erblassers wurde dies innerhalb der Familie erneut besprochen und der Sohn betonte nochmals, dass er auf seinen Pflichtteil verzichte. Der Sozialhilfeträger vertrat die Ansicht, ein Pflichtteilsverzicht sei nur wirksam, wenn er notariell beurkundet ist, und klagte gegen die Erbin auf Zahlung des Pflichtteils.

Die Entscheidung
Die Richter wiesen die Klage zurück. Pflichtteilsansprüche eines Leistungsempfängers können zwar auf den Sozialhilfeträger übergehen (umgesetzt wird dies durch eine Übernahmeerklärung), sodass dieser dann berechtigt ist, die Ansprüche in eigenem Namen – hier gegenüber dem Erben - geltend zu machen, vgl. § 93 SGB VII. Im vorliegenden Fall bestehe der Pflichtteilsanspruch jedoch nicht (mehr), da der Sohn bereits wirksam verzichtet hatte. Ein nach dem Tod des Erblassers gegenüber dem Erben abgegebener Verzicht auf den Pflichtteil unterliege nicht den Formvorschriften einer dahingehenden Vereinbarung zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erblasser zu dessen Lebzeiten, die notariell zu beurkunden ist, vgl. § 2346 Abs. 2 BGB. Der Verzicht nach dem Todesfall, der dem Erben gegenüber erklärt wird, ist als Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB formfrei und kann daher auch mündlich vereinbart werden. Der Sozialhilfeträger ging im vorliegenden Fall leer aus und hatte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Praktische Relevanz
Während gesetzliche Erben zu Lebzeiten des Erblassers im Hinblick auf den Pflichtteil insoweit geschützt werden, als der Verzicht hierauf einer notariellen Beurkundung der Erklärung bedarf, ist der spätere Verzicht auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegenüber den Erben auch mündlich erklärt wirksam. Dies mag in dem vom Landgericht Mosbach entschiedenen Fall im Interesse des Sohnes gelegen haben, da er das hinterlassene Vermögen des Vaters lieber bei seiner Mutter als beim Sozialhilfeträger gesehen hat. In anderen Fällen mag der nach dem Tod des Erblassers vorschnell im Kreis der Familie getätigte Ausspruch, man werde keine Pflichtteilsansprüche gegen den Erben geltend machen, eine Erlasserklärung verkörpern, von der sich der Erklärende nur schwer wieder lösen kann.

Landgericht Mosbach, Urteil vom eine 21.10.2020 - 2 O 279/18

02.09.2021, 10:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht