Mitverschulden des Radfahrers bei Sturz über gut sichtbares Hindernis

Das OLG Hamm entschied mit Urteil vom 25.06.2021, dass ein Radfahrer, der über ein gut erkennbares und quer zum Radweg liegendes Erdkabel fährt und dabei zu Sturz kommt, zu 50 % für die entstandenen Verletzungen selbst haftet. Den Radfahrer treffe ein hälftiges Mitverschulden, weil ihm ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot aus § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO vorzuwerfen sei.

Im Frühling 2018 stürzte eine Radfahrerin über ein quer zum Radweg liegendes, etwa 4 cm starkes Erdkabel, welches von einem Bagger aus dem Boden gezogen worden war und sich zunächst einige Meter entlang des Radwegs am Rand befand und später quer über dem Rad- und Gehweg lag. Warnungen durch Bauarbeiter oder Hinweisschilder auf die Gefahrenstelle gab es nicht.

Vom Landgericht Essen wurde der Radfahrerin unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von 3.000 € zugesprochen. Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm sei der Schmerzensgeldbetrag angemessen. Der Beklagte hafte zwar nach § 831 Abs. 1 BGB für die erlittenen Verletzungen der Klägerin, weil seine Mitarbeiter die Sicherstellung des seitlichen Verlaufs des Erdkabels oder zumindest eine Warnung der herannahenden Radfahrerin pflichtwidrig unterlassen haben. Diese hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass passierende Radfahrer den von dem losen Kabel ausgehenden Gefahren selbst rechtzeitig begegnen können.

Demgegenüber treffe aber die Radfahrerin gleichsam ein Mitverschulden von 50 %, weil sie gegen das Sichtfahrgebot aus § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen habe. Das Kabel sei weder schwer erkennbar noch überraschend gewesen, sodass ihr vorzuwerfen sei, dass sie mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr und deshalb den Querverlauf des Kabels zu spät erkannt hat.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25.06.2021 – 7 U 89/20

17.09.2021, 08:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht