Lockdown – kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn / Betriebsrisiko trägt nicht der Arbeitgeber

Im Rahmen einer aktuellen Entscheidung hat sich das Bundesarbeitsgerichts erstmals mit der Frage befasst, wer im Fall eines angeordneten Lockdowns das Betriebsrisiko trägt.

Nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts trägt der Arbeitgeber für den Fall, dass er seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen muss, nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.

Das Ladengeschäft, in dem die klagende Arbeitnehmerin auf geringfügiger Basis beschäftigt war, war im April 2020 aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23. März 2020 geschlossen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Freien Hansestadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Auf die Revision des beklagten Arbeitgebers hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die klagende Arbeitnehmerin für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs hat und der Arbeitgeber auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls trägt, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden.

Nach Auffassung des BAG realisiere sich in einem solchen Fall nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen, wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter – nicht gewährleistet ist, beruhe dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lasse sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21

30.10.2021, 11:45
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht