Kündigung bei Weigerung zur Teilnahme an betrieblichen Corona-Tests nicht ohne vorhergehende Abmahnung

Aktuell haben die Arbeitsgerichte vermehrt über Maßnahmen zu entscheiden, mit denen Arbeitgeber auf Verstöße von Arbeitnehmern gegen vorgegebene Corona-Schutzmaßnahmen reagieren.

Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens hatte das Arbeitsgericht Hamburg über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des beklagten Arbeitgebers zu befinden, nachdem sich der klagende Arbeitnehmer geweigert hatte, vom Arbeitgeber bereitgestellte Schnelltests durchzuführen.

Nach der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Hamburg stellte sich die streitgegenständliche verhaltensbedingte Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG dar. Vor Ausspruch der Kündigung wäre der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen, beim Kläger künftige Vertragstreue zu bewirken.

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts lag dabei der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger war bei der Beklagten, einem Dienstleister im Bereich der Personenbeförderung, als Fahrer beschäftigt. Während der Corona-Pandemie hatte die Beklagte zeitweise ihren regulären Fahrbetrieb eingestellt. Der Kläger befand sich bis zum 31.05.2021 in Kurzarbeit Null, d.h. er war nicht aktiv für die Beklagte tätig. Am ersten Arbeitstag nach der Kurzarbeit lehnte der Kläger es ab, vor Fahrtbeginn einen durch den Arbeitgeber bereitgestellten Corona-Schnelltest vor Ort durchzuführen. Darüber hinaus verweigerte er auch die Mitnahme von Testkits, um sich regelmäßig zu Hause selbst zu testen. Nachdem der Kläger auch an den beiden darauffolgenden Tagen die Durchführung eines Selbsttests ablehnte und keinen alternativen Testnachweis erbracht hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist und stellte den Kläger unwiderruflich frei.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat im Rahmen des Urteils vom 24.11.2021 festgestellt, dass der Kläger durch die Ablehnung der Tests an den drei aufeinanderfolgenden Tagen zwar schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, was grundsätzlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann, nach Auffassung der Kammer wäre allerdings vor Ausspruch einer Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen, beim Kläger künftige Vertragstreue zu bewirken.

Eine Kündigung kommt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei Störungen im Leistungs- und Verhaltensbereich nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Dabei ist als mildere Reaktion insbesondere die Abmahnung anzusehen, die dann als alternatives Gestaltungsmittel anzusehen ist, wenn schon sie geeignet ist, den mit der Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (vgl. BAG, Urt. v. 10.06.2010, Az. 2 AZR 541/09). Dementsprechend ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG bei Vertragspflichtverletzungen, die auf einem steuerbaren Verhalten beruhen, generell davon auszugehen, dass bereits die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses das künftige Verhalten des Arbeitnehmers positiv beeinflussen wird. Ordentliche und außerordentliche Vertragspflichtverletzungen setzen daher regelmäßig eine vergebliche Abmahnung mit entsprechender Warnfunktion voraus, die zudem der Objektivierung einer negativen Prognose dient.

Entbehrlich ist eine Abmahnung nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte. Das ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens, setzt er aber trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzungen fort, dann läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müsste der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen (BAG, Urt. v. 18.05.1994, Az. 2 AZR 626/93, m.w.N.). Ferner ist bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung auch dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Das BAG stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf ab, dass es dem Arbeitnehmer in derartigen Fällen bewusst sein müsse, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze (BAG, Urt. v. 10.02.99, Az. 2 ABR 31/98, m.w.N.).

Hinsichtlich der Urteilsbegründung gilt es zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Weigerung zur Durchführung der Selbsttests durch den Arbeitnehmer im Sommer 2021 noch keine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung solcher Tests am Arbeitsplatz bestand. Vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingeführten gesetzlichen Testpflicht am Arbeitsplatz treten die Ausführungen des Gerichts zur Zulässigkeit der Anordnung zur Durchführung von Schnelltests im Rahmen des Direktionsrechts in den Hintergrund.


Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 24.11.2021 – Az. 27 Ca 208/21

03.02.2022, 11:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht