Keine Überlegungsfrist zur Bildung einer Rettungsgasse

Das OLG Oldenburg entschied mit Beschluss vom 20.09.2022, dass eine Rettungsgasse zu bilden ist, sobald Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden. Durch diesen Beschluss wird klargestellt, dass eine Überlegungsfrist zur Bildung einer Rettungsgasse nicht besteht.

Im zu entscheidenden Fall ist der Betroffene vom Amtsgericht Vechta durch Urteil vom 14.06.2022 wegen fahrlässigen Nichtbildens einer Rettungsgasse zu einer Geldbuße von 230 € verurteilt worden.

Der Betroffene befuhr die dreispurige Autobahn auf der mittleren Fahrspur und hielt sich dabei linksseitig, während die hinter ihm befindlichen Fahrzeuge sowie zumindest ein vor ihm befindliches Fahrzeug auf der mittleren Spur sich so weit wie möglich rechts und sämtliche Fahrzeuge auf der linken Spur sich so weit wie möglich links orientiert hatten. Der Verkehr auf der dreispurigen Autobahn war baustellenbedingt ins Stocken geraten und teilweise zum Erliegen gekommen.

Gegen dieses Urteil wandte sich der Betroffene mit einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er hielt es für klärungsbedürftig, ab welchem Zeitpunkt des Stillstandes oder des nur in Schrittgeschwindigkeit fließenden Verkehrs eine Rettungsgasse gebildet werden müsse. Die Generalstaatsanwaltschaft hielt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ebenfalls für geboten.

Mithin wurde die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts durch den Einzelrichter zugelassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Die Rechtsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg.

Das OLG Oldenburg hält den Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO für eindeutig. Die Rettungsgasse ist zu bilden "sobald Fahrzeuge... mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden." Durch das Wort „sobald“ wird nach Ansicht des Senates deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Überlegungsfrist nicht besteht. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse greift vielmehr sofort ein, nachdem die in § 11 Abs. 2 StVO beschriebene Verkehrssituation eingetreten ist.

Dies gelte umso mehr, da der betroffene Autofahrer aufgrund des Stop-and-Go-Verkehrs damit rechnen musste, dass die Phasen des Stillstandes auch länger anhalten könnten. Würde man einem Fahrzeugführer in einer Situation, in welcher der vor ihm befindliche Verkehr zum Erliegen gekommen ist, eine Überlegungsfrist zubilligen, währenddessen er noch die Rettungsgasse blockieren dürfte, hätte dies zur Konsequenz, dass er nach Erkennen der Verkehrssituation und Ablauf einer Überlegungsfrist erst noch zeitaufwändig rangieren müsste, um die Rettungsgasse freizugeben.
Es darf folglich nicht dazu kommen, dass zeitaufwändiges Rangieren notwendig wird. Einen zeitlichen Spielraum für eine Überlegungsfrist erlaubt § 11 Abs.2 StVO aus Sicht des Gerichts daher nicht.


Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 20.09.2022 - 2 Ss(OWi) 137/22

07.11.2022, 09:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht