Kein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei angeordneter häuslicher Quarantäne während des Urlaubs

Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung bzw. auf Wiedergutschrift von Urlaubstagen, wenn er während seines beantragten und genehmigten Urlaubs durch Anordnung des zuständigen Gesundheitsamts in häusliche Quarantäne muss?
Mit dieser Frage hatten sich aktuell verschiedene Arbeitsgerichte, darunter auch das Arbeitsgericht Halle, zu befassen.

Im dem durch das Arbeitsgericht Halle zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer am 10.12.2020 Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 21.12.2020 bis 31.12.2020 beantragt. Der Urlaub wurde vom Arbeitgeber gewährt und der Arbeitnehmer hat den Urlaub angetreten. Aufgrund der Tatsache, dass sich eine mit dem Arbeitnehmer in einem Hausstand lebende Person mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert hatte, musste sich der Arbeitnehmer im Zeitraum vom 23.12.2020 bis 05.01.2021 in häusliche Quarantäne begeben.

Im Nachgang forderte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf, ihm den Urlaub "gutzuschreiben", den er wegen der häuslichen Quarantäne nicht habe in Anspruch nehmen können, was der Arbeitgeber ablehnte.

Zu Recht, wie das Arbeitsgericht Halle entschieden hat. Dem Arbeitnehmer stand kein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen zu, zumal auf diesen Fall eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG nicht in Betracht kommt.

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden ihm gemäß § 9 BUrlG die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.
§ 9 BUrlG ist jedoch nicht einschlägig, wenn der Arbeitnehmer während der Zeit des gewährten Urlaubs selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Nach der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Halle liegt bei einem "nur" Ansteckungsverdächtigen im Sinne von § 2 Ziffer 7 IfSG noch keine Erkrankung vor.
Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf den Fall einer behördlich angeordneten Absonderung (häusliche Quarantäne) kommt nicht in Betracht. Bei der Regelung des § 9 BUrlG handelt es sich nach den Darlegungen des Arbeitsgerichts Halle um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift; eine entsprechende Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse oder Tatbestände, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergibt, kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die Rechtsprechung habe eine entsprechende Anwendung auf andere Sachverhalte mehrfach abgelehnt. So etwa für den Fall der Pflege eines erkrankten Kindes während des bereits gewährten Urlaubs.

Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer selbst das Risiko, dass sich der Urlaubszweck nach der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht oder nicht vollständig realisieren lässt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch innere und äußere Umstände beeinflusst, die dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind.


Arbeitsgericht Halle, Urteil vom 23.06.2021 - 4 Ca 285/21

22.08.2021, 11:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht