Homeoffice – Weisung des Arbeitgebers zur Beendigung des Homeoffice und Rückkehr in den Betrieb

Im Rahmen der Corona-Pandemie haben eine Vielzahl von Arbeitgebern ihren Arbeitnehmern die Ausübung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit im Homeoffice gestattet oder eine entsprechende Weisung ausgesprochen, ohne dass es eine entsprechende arbeits- oder tarifvertragliche Grundlage hierfür gegeben hat.

Ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch, von zuhause aus tätig zu sein, besteht nach herrschender Meinung nicht. Sofern der Arbeitsort vertraglich nicht konkret bestimmt ist, obliegt es dem Arbeitgeber, diesen gemäß § 106 GewO zu konkretisieren und damit Arbeit von zuhause aus zu erlauben.

Hierauf hat das Landesarbeitsgericht München in einem aktuellen Urteil vom 26.08.2021 (3 SaGa 13/21) erneut hingewiesen und dargelegt, dass der Arbeitgeber nur in besonderen Situationen verpflichtet sein kann, einer Tätigkeit im Homeoffice zuzustimmen, nämlich wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner körperlichen Konstitution oder Betreuungs- und Pflegepflichten gegenüber nahen Angehörigen nicht mehr in der Lage ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen. In diesen Fällen könne es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs.1 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht so Gebrauch macht, dass dem Arbeitnehmer eine Leistungserbringung wieder möglich wird. Das Ermessen des Arbeitgebers sei dann „auf Null“ reduziert. Der Anspruch auf Homeoffice setze jedoch auch nach dieser Meinung voraus, dass die Art der Arbeitsleistung keine Präsenz an der Arbeitsstätte erfordert oder keine betrieblichen Gründe entgegenstehen.

Eine einmal erteilte Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit im Homeoffice kann durch diesen grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

Nach § 106 S.1 GewO kann der Arbeitgeber u.a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen selbst bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Bei Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber gem. § 106 GewO auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts umfasst das Weisungsrecht gem. § 106 GewO das Recht des Arbeitgebers, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft auch wieder zurückzunehmen oder zu ändern.

Selbst die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG, Urteil vom 17.08.2011 – 10 AZR 202/10 – Rn 19). Der Arbeitgeber ist daher nach § 106 GewO grundsätzlich berechtigt, eine Homeoffice-Tätigkeit durch Weisung zu beenden.
Ob die Weisung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung künftig wieder in den Büroräumen zu erbringen, rechtmäßig ist, bestimmt sich neben der Festlegung durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag und Gesetz danach, ob die Anordnung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht.

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt andererseits nicht dazu, dass die Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen ist und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen können. Es kommt viel mehr darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung die Anweisung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 – Rn 30).

Bei Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt dem Inhaber des Bestimmungsrechts ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21

04.10.2021, 13:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht