Haftung des Geschäftsführers einer insolvenzreifen Gesellschaft für Rechtsverfolgungskosten eines Gläubigers

In seiner Entscheidung vom 27.7.2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Haftung des Geschäftsführers für Prozesskosten eines Gläubigers der GmbH bestätigt. In den Leitsätzen heißt es:

a) Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i. S. d. § 826 BGB, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.

b) Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können.

Entscheidend war im vorliegenden Fall, dass der Geschäftsführer die Insolvenzlage, in der sich die GmbH zum Zeitpunkt der Einleitung von gerichtlichen Maßnahmen durch den Gläubiger der GmbH befand, erkannt und dennoch keinen Insolvenzantrag gestellt hatte. Er hatte in Kauf genommen, dass Gläubiger der GmbH die mit der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entstehenden Kosten (Gerichts-, Rechtsanwalts-, Sachverständigenkosten) nicht vor der Gesellschaft erstattet erhalten werden, wie dies bei einem Obsiegen des Gläubigers und Solvenz des Unternehmens der Fall wäre. Der Geschäftsführer haftet daher persönlich für den Ausfall des Gläubigers bzgl. der Kostenerstattung.

In der Praxis wird es dem Gläubiger zwar nur in Ausnahmefällen gelingen, die Kenntnis des Geschäftsführers von der Insolvenzreife des von ihm geleiteten Unternehmens darzulegen. In dem vom BGH entschiedenen Fall gelang dies, da der Gläubiger Einblick in Unterlagen des Insolvenzverfahrens und Kenntnis von einem Strafverfahren gegen den Geschäftsführer hatte, in dem dieser wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt wurde. Gelingt die Darlegung der Kenntnis von der Unabwendbarkeit der Insolvenz (ausnahmsweise), ist eine direkte Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch Gläubiger der Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens möglich.

BGH, Urteil vom 27.7.2021 – Aktenzeichen: II ZR 164/20

26.08.2021, 15:30
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