Haftung auf dem Parkplatz beim Ein- und Aussteigen

Autofahren verlangt von uns stets höchste Aufmerksamkeit: beim Ein- und Ausparken, beim Anfahren und Bremsen und schließlich ebenso dann, wenn das Auto steht. Auch beim Ein- und Aussteigen dürfen andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Nach § 14 StVO muss sich, wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs gilt diese Sorgfaltsanforderung und damit für sämtliche Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen. Der Vorgang des Einsteigens ist dabei erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet.

Kommt es beim Parken zum Unfall mit einer geöffneten Tür, spricht der sogenannte Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Aussteigende seine Pflichten verletzt hat. Das bedeutet, dass der Halter des Fahrzeugs mit der geöffneten Tür haftet, wenn nicht nachgewiesen werden kann, das der Unfallgegner gegen eine bereits offene Tür fuhr.

In dem Sachverhalt, der dem Urteil des Amtsgerichts München vom 27.10.2021 zugrunde lag, parkte das Auto der Klägerin in einer Parkbucht auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Der Ehemann der Klägerin saß am Steuer des PKW. Der Beklagte wollte dann mit seinem Auto in die Parkbucht links daneben einparken und stieß dabei gegen die geöffnete Fahrertür des PKW der Klägerin. Der mitbeklagte Versicherer des Beklagten hatte vorgerichtlich wegen des Mithaftungseinwands die Schadensersatzansprüche der Klägerin nur zur Hälfte reguliert.

Die Klägerin trug vor, die Fahrertür ihres Autos habe bereits mehrere Minuten lang erkennbar offen gestanden, sodass die Kollision für ihren Ehemann unvermeidbar gewesen sei.

Der Beklagte behauptete demgegenüber, dass die Fahrertür zunächst noch geschlossen gewesen wäre und erst beim Einparken plötzlich und unvermittelt geöffnet und gegen sein Fahrzeug gestoßen worden sei. So sei vom Versicherer an die Klägerin schon mehr als nötig gezahlt worden, weil diese doch die alleinige Haftung trage.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Klägerin gelang der erforderliche Nachweis zur Überzeugung des Gerichts nicht, dass die Tür schon offen gestanden habe. Die von der Klägerin benannte unbeteiligte Zeugin, die meinte, sich gut zu erinnern, konnte insoweit auch nicht weiterhelfen. Sie gab in ihrer Vernehmung an, die Tür hätte nur etwa 5 Zentimeter weit offen gestanden. Ein Sachverständiger kam indes zum Ergebnis, dass die Tür im Zeitpunkt der Kollision 60 bis 70 cm weit geöffnet war. Auch konnten die Aussagen der Zeugin zur Geschwindigkeit des einparkenden PKW durch das Gutachten widerlegt werden. Überdies widersprachen sich auch die Aussagen der Zeugin mit den Angaben des Ehemanns der Klägerin. Das Amtsgericht München konnte schließlich weder der einen noch der anderen Aussage einen höheren Wahrheitsgehalt beimessen und führte aus:

„Das Gericht hat der Entscheidung eine alleinige Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt. Unstreitig kam es zur Kollision zwischen der Fahrertüre des Klägerfahrzeugs und dem im Einfahren in die Parklücke neben dem Klägerfahrzeug befindlichen Beklagtenfahrzeug. Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners - hier des Fahrers des Klägerfahrzeugs - spricht der Beweis des ersten Anscheins. (…) Die Sorgfaltsnorm des § 14 StVO findet im vorliegenden Fall zwar keine unmittelbare Anwendung (…), nachdem sich die streitgegenständliche Kollision unstreitig auf einem nicht-öffentlichen Parkplatzgelände ereignete (…). Die Sorgfaltsnorm ist hier jedoch im Rahmen einer Pflichtenkonkretisierung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots (…) zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als nach Auffassung des angerufenen Gerichts auf einem Parkplatzgelände - wie hier - für jeden Benutzer grundsätzlich jederzeit mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist (…)."

Ungeachtet dessen wies das erkennende Gericht abschließend noch darauf hin, dass auch ein (von der Klägerin behauptetes aber nicht nachgewiesenes) über mehrere Minuten andauerndes Offenstehenlassen einer Fahrzeugtür auf einem Parkplatzgelände erheblich risikobehaftet und angesichts der dargestellten Pflichten zur wechselseitigen Rücksicht sorgfaltswidrig wäre.


Amtsgericht München, Urteil vom 27.10.2021 – 343 C 106/21

21.03.2022, 11:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht