Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3: derzeit kein standardisiertes Messverfahren

Mit Beschluss vom 12.08.2021 entschied das Bayerische Oberste Landesgericht, dass bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 derzeit nicht mehr von einem die Anerkennung als sogenanntes „standardisiertes Messverfahren“ rechtfertigenden vereinheitlichten Verfahren ausgegangen werden könne, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Vom Amtsgericht ist der Betroffene wegen einer am 09.05.2020 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt worden. Die Geschwindigkeitsmessung sei nach den Feststellungen des Amtsgerichts mit einem bis Ende 2020 gültig geeichten und als standardisiertes Messverfahren anerkannten Geschwindigkeitsüberwachungsgerät des Typs Leivtec XV3 vorgenommen worden.

Die dagegen vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das BayObLG hob das Urteil auf und verwies die Sache zum Zwecke einer neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück, weil das Amtsgericht mit Blick auf die für einen Schuldspruch notwendige tatrichterliche Überzeugung vom Vorliegen der für den Tatnachweis unabdingbaren messtechnischen Urteilsgrundlage zu Unrecht hinsichtlich des verwendeten Messgerätes von einem standardisierten Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH ausgegangen sei, was aber jedenfalls gegenwärtig nicht mehr möglich ist.

Denn das Gerät biete nach den aktuellen Erkenntnissen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung stets auch zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen komme. Bei Geschwindigkeitsmessungen mit diesem Messgerät könne es, insbesondere wegen des Auftretens sogenannter Stufeneffekte bzw. Stufenprofil-Fehlmessungen, vielmehr zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten der Betroffenen kommen. Mithin sei nicht länger von einem vereinheitlichten technischen Verfahren auszugehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten seien. Somit leide das Urteil des Amtsgerichts an einem durchgreifenden sachlich-rechtlichen Feststellungs- und Darstellungsmangel im Sinne der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 StPO.

Das Amtsgericht habe nun mit sachverständiger Unterstützung auch zu prüfen, ob es bei der gegenständlichen Messung zu unzulässigen Messwertabweichungen zu Lasten des Betroffenen gekommen sein kann.

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12.08.2021 – 202 ObOWi 880/21

18.10.2021, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht