Fuchs am Straßenrand rechtfertigt kein starkes Abbremsen

Das AG Pfaffenhofen entschied mit Endurteil vom 16.09.2022, dass ein Fuchs am Fahrbahnrand keinen zwingenden Grund im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO für ein starkes Abbremsen des Vorausfahrenden darstellt.

Gegenstand der Entscheidung war ein Verkehrsunfall vom 19.04.2021. Aufgrund eines Fuchses am Straßenrand bremste die Klägerin ihr Fahrzeug stark ab. Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs fuhr auf das Klägerfahrzeug auf. Der nähere Unfallhergang war zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte, die Haftpflichtversicherung der nachfolgenden Fahrzeugführerin, regulierte nur 2/3 des Schadens.

Die Eigentümerin des vorausfahrenden Fahrzeugs erhob daraufhin Klage mit dem Antrag, dass die Beklagte den Schaden vollständig zu regulieren habe. Die Klägerin war der Auffassung, dass bei einem Auffahrunfall schon der Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß der auffahrenden Person sprechen würde. Die Beklagte habe zudem keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen stellte fest, dass sich der Verkehrsunfall für keine Partei als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG darstelle.

Die Klägerin hätte vielmehr erkennen können und müssen, dass sie wegen eines Fuchses keine Vollbremsung durchführen hätte dürfen.

Auch die Führerin des Beklagtenfahrzeugs hätte bei genügender Aufmerksamkeit den Fuchs erkennen müssen und sich insoweit darauf einstellen können und müssen, dass die vorausfahrende Klägerin ggf. ihr Fahrzeug bis zum Stillstand abbremsen würde.

§ 4 Abs. 1 S. 2 StVO verlangt für ein starkes Abbremsen des Vorausfahrenden einen zwingenden Grund. Da die Vorschrift Auffahrunfälle verhüten und die Verkehrsteilnehmer vor den dadurch drohenden Sach- und Personenschäden schützen will, kann ein zwingender Grund nur vorliegen, wenn das starke Abbremsen zum Schutz von Rechtsgütern erfolgt, die dem genannten Schutzobjekt der Vorschrift mindestens gleichwertig sind.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen führte hierzu weiter aus, dass ein Kraftfahrzeug auf ein kleines Tier, das auf der Fahrbahn für ihn und sein Fahrzeug keine Gefahr bildet, nur Rücksicht nehmen dürfe, wenn ihm das ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit möglich sei.

Eine Gefahr für die Klägerin oder deren Fahrzeug bestand vorliegend nicht, da sich der Fuchs noch am Fahrbahnrand befand. Der Schutz des Tieres musste deshalb hinter dem Schutz des nachfolgenden Verkehrs zurücktreten.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen bewertete den Unfallverursachungsbeitrag der Klägerin folglich als besonders schwerwiegend. Da der Beklagten weder ein zu geringer Sicherheitsabstand noch eine zu hohe Geschwindigkeit nachgewiesen werden konnte, musste diese nur für die Betriebsgefahr des Fahrzeugs einstehen.


Amtsgericht Pfaffenhofen, Endurteil vom 16.09.2022 – 1 C 130/22

09.01.2023, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht