Erledigung des Insolvenzantrags und die Frage der Kostentragungspflicht

Erklärt der Gläubiger seinen Insolvenzantrag nach Erfüllung der Antragsforderung einseitig für erledigt, kann seine Kostentragungspflicht nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag trotz der Erfüllung weiterhin zulässig ist. So entschied der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.09.2021.

Anmerkung

Der BGH grenzt hier spitzfindig danach ab, dass § 14 Abs. 1 S. 2 InsO für den Gläubiger zwar das Recht, aber nicht die Pflicht begründet, den gestellten Insolvenzantrag weiterlaufen zu lassen, wenn die dem Antrag zugrunde liegende Forderung bezahlt ist. Auch stellt das Gericht fest, dass § 14 Abs. 1 S.2 InsO weder die Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich ausschließt.

Entscheidungsgründe

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus:

“Am 31. Januar 2020 hat die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Nach Begleichung der Beitragsrückstände hat die Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Erledigungserklärung ohne Hinweis gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zugestellt. Der Schuldner hat sich zu der Erledigungserklärung nicht geäußert.

Das Insolvenzgericht hat die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auferlegt und sich dabei auf § 4 InsO, § 91a ZPO gestützt. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht nach Übertragung auf die Kammer zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Feststellung erreichen, dass ihr Insolvenzantrag in der Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens sollen dem Schuldner auferlegt werden.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Auf die statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist festzustellen, dass sich der Eröffnungsantrag der Gläubigerin erledigt hat. Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Insolvenzgericht habe der Gläubigerin zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt. Allerdings liege entgegen den Ausführungen des Insolvenzgerichts nur eine einseitige Erledigungserklärung vor. Deshalb sei zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zunächst zulässig gewesen sei und sich durch ein erledigendes Ereignis erledigt habe. Danach sei der so zu deutende Antrag der Gläubigerin auf Feststellung eines erledigenden Ereignisses zurückzuweisen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO werde der Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig oder unbegründet, dass die Antragsforderung erfüllt werde. Ein Sozialversicherungsträger, wie die Gläubigerin, könne nicht verhindern, dass jederzeit neue Forderungen gegen den Schuldner entstünden. Deshalb entfalle das rechtliche Interesse des Sozialversicherungsträgers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz Erfüllung der Antragsforderung nur ausnahmsweise, wenn der Schuldner den versicherten Arbeitnehmern gekündigt und seinen Betrieb geschlossen habe. Davon sei hier nicht auszugehen. Schließlich habe die Begleichung der Antragsforderung auch den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt. Es sei nicht dargetan, dass der Schuldner seine Zahlungen an alle Gläubiger wiederaufgenommen habe.

Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Mit Recht hat das Beschwerdegericht allerdings erkannt, dass im Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Antrags der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners auszugehen ist.

Gemäß § 4 InsO (§ 4 Satz 1 InsO nF) gelten für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend, soweit die Insolvenz-ordnung nichts anderes bestimmt. Die Insolvenzordnung regelt nicht, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen (Kosten-)Folgen der von einem Gläubiger gestellte Insolvenzantrag für erledigt erklärt werden kann. Es ist deshalb anerkannt, dass die Regelungen der Zivilprozessordnung über die Erledigung der Hauptsache und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden. Dies gilt für die übereinstimmende (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 7; vom 24. September 2020 - IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 8) und die einseitige Erledigungserklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92; vom 22. September 2005 - IX ZB 205/04, NZI 2006, 34; vom 25. September 2008, aaO Rn. 8) gleichermaßen (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 181). Der Gläubiger kann seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens daher, wenn auch zeitlich begrenzt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004, aaO; Beschluss vom 22. September 2005, aaO), für erledigt erklären, wenn er ihn nicht weiterverfolgen will.

In entsprechender Anwendung der Regelungen der Zivilprozessordnung über die Erledigung der Hauptsache und den hierzu entwickelten Grundsätzen ist im Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Eröffnungsantrags der Gläubigerin auszugehen. (…)

Nach dieser Maßgabe ist zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat (BGH, Urteil vom 20. November 2001, aaO S. 182; Beschluss vom 25. September 2008, aaO). Stellt das Insolvenzgericht danach die Erledigung fest, kann der Schuldner den Beschluss nach den §§ 6, 34 Abs. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechten; weist das Insolvenzgericht den Antrag ab, gelten die §§ 6, 34 Abs. 1 InsO (BGH, Beschluss vom 25. September 2008, aaO).

Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zulässig und begründet war. Von einem unrichtigen Verständnis der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO getragen ist jedoch die Einschätzung des Beschwerdegerichts, es fehle an einem erledigenden Ereignis.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit begründet, den Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen, aber keine Pflicht (BGH, Beschluss vom 24. September 2020 - IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 11, 21). Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO schließt weder die Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich aus. Dies kann ihr auch nicht sonst entnommen werden. Anderenfalls würde der im Eröffnungsverfahren geltende Dispositionsgrundsatz ausgehebelt und das Verfahren gleichsam von Amts wegen fortgeführt. Das ist dem deutschen Recht fremd (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2020, aaO Rn. 11).

Die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, kann nicht dadurch beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle einer einseitig bleibenden Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen hat, weil ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbesteht. Zwar trifft es zu, dass in diesem Fall nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen nicht von einem erledigenden Ereignis ausgegangen werden kann, wenn der Antrag auch sonst weiterhin zulässig und begründet ist. Die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze gelten jedoch im Insolvenzeröffnungsverfahren nur in modifizierter Form (BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92; vom 25. September 2008 - IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 8). Deshalb kann die Kostentragungspflicht des Gläubigers nach dessen einseitig gebliebener Erledigungserklärung nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist. Ein Zwangsgläubiger kann mit einem Insolvenzantrag mehrere schützenswerte Ziele verfolgen. Das mit § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO verfolgte Anliegen, die Insolvenzreife des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, muss nicht dazu zählen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2020, aaO Rn. 20 f). (…)”

Resümee

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie hilft den Zwangsgläubigern und eröffnet einen Handlungsspielraum für den Fall, dass die dem Antrag zugrunde liegende Forderung beglichen wird. Der Gläubiger kann den Antrag für erledigt erklären, ohne eine nachteilige Kostenfolge befürchten zu müssen.


BGH, Beschluss vom 23. September 2021 – IX ZB 66/20