Erhalt des Geschäftsbetriebes durch ein Insolvenzverfahren

Wichtige Grundsätze für Geschäftsführer und Steuerberater

Entgegen der landläufigen Meinung, ein Insolvenzverfahren würde das Ende bedeuten, möchte ich in nachfolgendem Artikel mit dieser falschen Annahme aufräumen. Sicherlich bedeutet die Insolvenz in einigen Konstellationen das Ende der Geschäftstätigkeit und es kommt zu einer Liquidation. Dieses Ergebnis liegt nach meiner Meinung jedoch weniger an dem Insolvenzverfahren an sich, sondern hauptsächlich an den Begleitumständen. Vielfach wird ein Insolvenzantrag einfach zu spät gestellt, um den Geschäftsbetrieb im Verfahren erfolgreich zu stabilisieren und letztendlich gewinnbringend sanieren zu können. Hierfür gibt es eine viel bessere Lösung. Die Lösung bringt Vorteile für den Geschäftsführer, Steuer­berater und letztendlich auch für die Gläubiger. Wir können also festhalten, dass wir bei Beachtung der nachfolgend dargestellten Grundsätze selbst in der Insolvenz eine Win-Win-Situation herbeiführen können. Doch der Reihe nach:

1. Wie sieht die Realität aus:

Mit dem am 1. März 2012 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) verfolgte der Gesetzgeber u.a. die Absicht, eine frühere Insolvenzantragstellung herbeizuführen, da Anträge in der Vergangenheit oft viel zu spät gestellt wurden. Danach sollten Anreize zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO) geschaffen werden.

Zwischenzeitlich sind sieben Jahre seit der Einführung dieses Gesetzes vergangen. Die Realität sieht voll­kommen anders aus. So erfolgt nach meinen Erfahrungen keineswegs eine frühzeitig Antragstellung, sondern vielfach erfolgt die Antragstellung noch immer erst bei längst eingetretener Zahlungsunfähigkeit. In vielen Fällen stellt das Schuldnerunternehmen erst einen eigenen Insolvenzantrag, nachdem bereits ein Fremdantrag eines Gläubigers vorliegt.

Dies hat zur Folge, dass zu Beginn des Verfahrens, die für das Unternehmen so wichtigen Arbeitnehmer und wesentliche Stake-Holder wie Lieferanten oder Kunden bereits sehr verstimmt sind. Damit einher geht ein oft nur schwer oder nicht mehr zu korrigierender Verlust des Vertrauens in das Unternehmen.

2. Wie sähe eine bessere Vorgehensweise aus:

Wichtig ist zunächst, sich bei Anhaltspunkten für eine Krise (vorwiegend Liquiditätskrise) umfassend insolvenzrechtlich beraten zu lassen. Im Vordergrund sollte dabei zunächst eine professionelle Zahlungsunfähigkeits- und Überschuldungsprüfung stehen. Oftmals kann bereits der eigene Steuerberater diesbezüglich helfen. Möchte sich der Steuerberater jedoch nicht auf das insolvenznahe, durchaus haftungsträchtige Feld der Sanierungsberatung begeben, sollte der Gang zum Sanierungsberater oder einen auf insolvenzrechtliche Beratung spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen. Dies ist ein eigenverantwortlicher unternehmerischer Schritt und bedeutet keineswegs, „die Flinte ins Korn zu werfen“. Der Sanierungsberater sollte eine umfassende Zahlungsunfähigkeits- und Überschuldungsprüfung durchführen. Sollte eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen, ist bereits wegen der Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO und des vorstehend beschriebenen zunehmenden Vertrauensverlustes eine rechtliche Insolvenzberatung und eine schnelle professionelle Antragstellung unerlässlich. Kommt der Berater zum Ergebnis, dass womöglich „nur“ eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, so sollte die Möglichkeit der Sanierung im Rahmen einer Eigenverwaltung (§ 270 a InsO) oder eines Schutzschirmverfahrens (§ 270 b InsO) mit einem erfahrenen Berater besprochen werden.

Bei Insolvenzantragstellung sollte mit dem Berater zumindest die grobe Zielrichtung des Verfahrens abgestimmt sein. Dies kann bei einer Sanierungslösung z.B. eine übertragende Sanierung (Übertragung der Assets auf einen anderen Rechtsträger) oder eine Insolvenzplanlösung (Erhalt und Entschuldung des bisherigen Rechtsträgers) darstellen.

Weiterhin sollten die wichtigsten Stake-Holder vorab über die Antragstellung und die weiteren Schritte informiert werden. Kommt für diese die Insolvenz ohne Vorinformation, so kann es auch hier zu vermeidbaren Komplikationen, wie z. B. den Abbruch wichtiger Lieferbeziehungen kommen.

Die Vorteile einer frühzeitigen Beratung, und damit einhergehend, falls notwendig oder fördernd, einer frühzeitigen Antragstellung, sind vielfältig:

Ein ganz wesentlicher Aspekt kann unter dem Oberbegriff Vertrauen subsumiert werden. Erfolgt die Antragstellung nicht verspätet (womöglich bei größeren Lohnrückständen), so ist es leichter das Vertrauen der Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden zu erhalten bzw. schnell wieder aufzubauen. Dabei zeigt die Erfahrung, dass die Insolvenz keinen Makel darstellt, für den sich die Beteiligten schämen müssten und weitreichende negative Reaktionen hervorrufen würde. Viele der eigenen Geschäftspartner hatten bereits Berührungspunkte mit Insolvenzverfahren von Kunden oder Lieferanten und wissen daher, dass die Insolvenz insbesondere eine Chance für einen Neuanfang darstellt. Vielfach wird die Insolvenzantragstellung sogar positiv aufgenommen, da diese zeigt, dass bestehende wirtschaftliche Probleme angepackt und Lösungen gesucht werden.

Weiterhin stellt dies einen Schutz der Geschäftsführung vor möglichen Haftungsansprüchen (§ 64 GmbHG) oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen (§ 15 a InsO) dar. Auch für Steuerberater ist es von großer Bedeutung, die Insolvenzreife im Blick zu haben und ggf. darauf hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil v. 26.01.2017 – IX ZR 285/14). In der Praxis beobachte ich jedoch vermehrt, dass der Steuerberater aus Angst, einen Mandanten zu verlieren, keineswegs proaktiv tätig wird. Dies kann auch für ihn fatale Folgen haben. So wird bei einem zu langen Zuwarten der Verlust des Mandanten immer wahrscheinlicher, da dann die Sanierung ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr möglich ist. Wird der Steuerberater hingegen frühzeitig proaktiv tätig, so kann er meiner Meinung nach sogar einen neuen, sanierten Mandanten gewinnen. Hinzu kommt die aufgezeigte eigene Haftungsthematik.

Zudem ist die Beschaffung der notwendigen Liquidität, die Aufrechterhaltung der Lieferbeziehungen und die Motivation der Mitarbeiter, konstruktiv an der Sanierung mitzuwirken, bei einer frühzeitigen Antragstellung erheblich einfacher. Dies erleichtert wiederum die Betriebsfortführung während des Insolvenzantragsverfahrens.

Hat man diese Grundsätze eingehalten und wurde durch das Insolvenzgericht zudem  ein Insolvenzverwalter bestellt, welcher durch vertrauensvolle Kommunikation mit allen wesentlichen Beteiligten und Wissen um Unternehmensführung die Sanierung unterstützt, stehen die Chancen einer erfolgreichen Rettung des Unternehmens in der Regel sehr gut. Auch diesbezüglich kann in fast allen Fällen in Abstimmung mit dem Gericht ein geeigneter Kandidat gefunden werden. Dies setzt jedoch wieder voraus proaktiv den Kontakt zum Gericht zu suchen und nicht einfach jemanden „durchdrücken“ zu wollen. Geht man so vor, so hat man auch durchaus Einfluss auf die Auswahl der entsprechenden Person. Freilich darf dies nicht zu unrechtmäßigen Absprachen führen. Gleichwohl zeigt die Erfahrung, dass die Sanierung besser läuft, wenn die Beteiligten grundsätzlich kooperieren und dem Verfahrensziel dienen.

3 . Fazit:

Als Fazit bleibt also festzuhalten, dass bei einer eingetretenen Krise sehr frühzeitig eine professionelle Beratung in Anspruch genommen werden sollte. Wenn sich in der Beratung ergibt, dass ein Insolvenzantrag notwendig ist, dann sollte dieser Schritt zeitnah vollzogen und nicht unnötig hinausgezögert werden. Auf diese Weise steigert man die Chancen der Sanierung und des Erhalts des Unternehmens ganz erheblich und senkt gleichzeitig das eigene Haftungspotenzial – sowohl für den Geschäftsführer, wie auch für den Steuerberater.

08.08.2019, 00:00
Kategorien: Veröffentlichungen