Erben und Vererben – ein Überblick in Fragen und Antworten (3/3)

9.   Wer ist pflichtteilsberechtigt?
10. Wer zahlt Erbschaftssteuer?
11. Was passiert, wenn der Erblasser mehr Schulden als Vermögen hinterlässt?
12. Was ist eine Nachlasspflegschaft?
13. Was macht der Testamentsvollstrecker?
14. Wann erbt der Fiskus?



9. Wer ist pflichtteilsberechtigt?


Die Freiheit, seine Erben selbst zu bestimmen, erfährt durch das Pflichtteilsrecht eine Einschränkung. Abkömmlinge, Ehegatten und Eltern, die vom Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen, also einem Testament oder Erbvertrag, von der Erbfolge ausgeschlossen sind, haben Anspruch auf den so genannten Pflichtteil, der der Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Erbes entspricht (§ 2303 BGB). Der Pflichtteilsanspruch ist ein schuldrechtlicher Anspruch, der sich gegen den oder die Erben richtet und vom Pflichtteilsberechtigten gegenüber geltend gemacht werden muss, wenn er den Pflichtteil erhalten möchte. Der Anspruch ist auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Ein Recht auf Herausgabe von Nachlassgegenständen hat der Pflichtteilsberechtigte in der Regel nicht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs stehen dem Pflichtteilsberechtigten umfassende Auskunftsansprüche gegen den oder die Erben zu (§ 2314 BGB).


Der Anspruch ist sofort mit dem Tod des Erblassers fällig (§ 2317 BGB) und verjährt in drei Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers und seiner Enterbung erfahren hat, spätestens aber 30 Jahre nach dem Erbfall. Der Kenntnis steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte aufgrund grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis über diese Tatsachen bleibt.


Um zu verhindern, dass ein Erblasser das Pflichtteilsrecht umgeht, indem er bereits zu Lebzeiten all sein Vermögen verschenkt, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, der sicherstellt, dass der Pflichtteilsberechtigte auch aus dem Wert der verschenkten Vermögensteile den Pflichtteil erhält (§ 2325 BGB). Wurde der Pflichtteilsberechtigte selbst beschenkt, ist die Schenkung auf seinen Pflichtteil anzurechnen, wenn der Erblasser dies bei der Schenkung bereits bestimmt hat (§ 2315 BGB). Auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch ist eine Schenkung an den Berechtigten dagegen auch ohne Bestimmung des Erblassers anzurechnen (§ 2327 BGB).


Der Erbe wird vor zu weitreichenden Beeinträchtigungen durch Pflichtteilsansprüche insoweit geschützt, als ihm selbst der Betrag verbleiben muss, den er als Pflichtteilsberechtigter hätte. Tritt ein solcher Fall ein, muss der Erbe die Pflichtteilsansprüche nicht (vollständig) erfüllen. Es kommen dann ergänzend Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten unmittelbar gegen den oder die Beschenkten in Betracht (§ 2329 BGB). Die Ansprüche gegen Beschenkte verjähren unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten nach drei Jahren ab Erbfall.



10. Wer zahlt Erbschaftssteuer?


Das Finanzamt erhält bei einem Todesfall eine Mitteilung hierüber und über die vom Nachlassgericht ermittelten Erben sowie den Nachlasswert. Die Erben haben gegenüber dem Finanzamt eine eigene Meldepflicht hinsichtlich des von ihnen ererbten Vermögens. Je nach Verwandtschaftsgrad und Art des hinterlassenen Vermögens werden dem Erben bestimmte Freibeträge gewährt. Werden diese Überschritten, ist für das darüber hinaus geerbte Vermögen Erbschaftssteuer zu zahlen. Steuerschuldner ist der Erbe. Die Steuer fällt bereits mit dem Erbfall an, nicht erst in dem Zeitpunkt, wenn der Erbe den Zufluss in seinem Vermögen erlangt.


Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner können derzeit bis zu 500.000,00 € steuerfrei erben. Jedes Kind des Verstorbenen hat einen Freibetrag von 400.000,00 € - was auch für die Enkelkinder gilt, sollten die Kinder des Erblassers bereits verstorbenen vorverstorben sein. Leben die Kinder des verstorbenen noch, gilt für die Enkel ein Freibetrag von 200.000,00 €. Die Freibeträge für Urenkel oder auch für Eltern, die von ihren Kindern erben, liegen bei 100.000,00 €. Alle übrigen Erben, auch solche ohne Verwandtschaftsverhältnis, haben einen Freibetrag von 20.000,00 €.


Um die Erbschaftssteuer bei der Übertragung von größeren Vermögen zu optimieren, bietet sich die Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten durch Schenkung an, da hierfür vergleichbare Freibeträge wie im Erbfall gewährt werden und eine Anrechnung der Schenkungsfreibeträge auf die Erbschaftsfreibeträge entfällt, wenn zwischen Schenkung und Erbfall mindestens 10 Jahre liegen. Mit anderen Worten, alle 10 Jahre können größere Vermögensübertragungen an Verwandte unter Ausnutzung der Freibeträge erfolgen. Einzelheiten hierzu, insbesondere bei Übertragung von betrieblichen Vermögen und Immobilienvermögen sollte der Erblasser bzw. Übertragende frühzeitig durch einen Steuerberater klären lassen.



11. Was passiert, wenn der Erblasser mehr Schulden als Vermögen hinterlässt?


Bei einer Erbschaft handelt es sich um eine Gesamtrechtsnachfolge, bei der der Erbe sämtlich Aktiva und Passiva des Erblassers, also auch dessen Schulden und Verbindlichkeiten, übernimmt. Wer zum Erben berufen ist, sollte daher möglichst schnell den Wert des Nachlasses einschätzen. Zeigt sich, dass der Nachlass überschuldet ist oder ist dies dem Erben zu unsicher, besteht die Möglichkeit der Ausschlagung des Erbes innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis von Erbfall und Erbfolge.


Ist die Ausschlagungsfrist bereits abgelaufen und die Erbschaft damit angenommen, kommt eine Anfechtung der Annahme innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis der Überschuldung des Nachlasses in Betracht. Ausschlagung und Anfechtung der Annahme sind gegenüber dem Nachlassgericht zu Protokoll zu erklären oder eine notariell beurkundete Erklärung beim Nachlassgericht einzureichen.


Daneben gibt es die Möglichkeit, die erbrechtliche Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Nachlass noch nicht verteilt wurde. In diesem Fall ist eine Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) beim Nachlassgericht zu beantragen.


Steht bereits fest, dass der Nachlass überschuldet ist, dass die Nachlassaktiva also nicht ausreichen, um die Nachlasspassiva zu decken, kann ein Nachlassinsolvenzverfahren beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden (§§ 315 InsO). In diesem Fall kümmert sich ein Insolvenzverwalter um die Abwicklung des Nachlasses. Die Nachlassgläubiger erhalten im Nachlassinsolvenzverfahren eine Quote auf ihre offenen Forderungen. Die Erben gehen, soweit sie nicht selbst Gläubiger sind, leer aus - haften jedoch auch nicht mit ihrem Vermögen, wie dies bei Annahme der Erbschaft der Fall wäre.


Ist die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nicht möglich, da der Nachlass zur Deckung der damit entstehenden Kosten nicht ausreichend, kann der Erbe die sogenannte Dürftigkeitseinrede erheben, das heißt, er kann die Befriedigung der Nachlassgläubiger insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht (§ 1990 BGB). Voraussetzung ist jedoch, dass die Nachlassverwaltung bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren zuvor beantragt und vom zuständigen Gericht abgelehnt wurden.



12. Was ist eine Nachlasspflegschaft?


Die Nachlasspflegschaft ist eine durch das Nachlassgericht angeordnete Maßnahme, um den Nachlass zu sichern, bis der oder die Erben ermittelt sind (§ 1960 BGB). Der Nachlasspfleger hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des bzw. der unbekannten Erben und die Aufgabe, die laufenden Nachlassangelegenheiten abzuwickeln. Die Kosten für die Nachlasspflegschaft werden in der Regel vom Nachlass getragen. Die Nachlasspflegschaft wird durch das Nachlassgericht angeordnet und einem Nachlasspfleger übertragen.



13. Was macht der Testamentsvollstrecker?


Von Seiten des Erblassers kann im Testament zur Verwaltung des Nachlasses eine Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff BGB) angeordnet werden, beispielsweise, um die Durchsetzung seines erklärten Willens im Hinblick abzusichern, den oder die Erben bei der Übernahme des Nachlasses zu unterstützen, die Verwaltung und Teilung der Erbschaft vorzunehmen oder Streit zwischen mehreren Erben, die gemeinsame zielführende Entscheidungen vielleicht nicht treffen könnten, abzuwenden. Die Person des Testamentsvollstreckers kann vom Erblasser selbst bestimmt oder dessen Bestimmung dem Nachlassgericht übertragen werden. Die Kosten der Vergütung des Testamentsvollstreckers werden in der Regel vom Nachlass getragen.



14. Wann erbt der Fiskus?


Das vom Erblasser mit seinem Tod hinterlassene Vermögen kann bzw. darf nicht herrenlos werden. Gibt es keine gewillkürten oder gesetzlichen Erben oder schlagen sämtliche Erben die Erbschaft aus, wird der Staat – das in der Volkswirtschaftslehre als „Fiskus“ bezeichnete Wirtschaftssubjekt – Rechtsnachfolger des Erblassers (§ 1936 BGB). Gleiches gilt, falls der Staat durch testamentarische Verfügung des Erblassers als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt wird. Der Staat kann die Erbschaft nicht ausschlagen. Er haftet jedoch beschränkt auf den Nachlass, sodass das Staatsvermögen durch etwaige Nachlassverbindlichkeiten nicht geschmälert wird.


Zuständig für Nachlassangelegenheiten des Staats ist in Bayern das Landesamt für Finanzen, das sich dann um den Nachlass kümmert.

09.04.2021, 10:31
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht