Eine Änderung der Rechtsprechung? Der BGH zu den subjektiven Voraussetzungen im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO

Die Beweislast für die subjektiven Voraussetzungen im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO obliegt dem Insolvenzverwalter. Bislang war es zum Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nach dem BGH ausreichend, dass der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kennt. Dem folgend wurde angenommen, dass der Anfechtungsgegner den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kannte, wenn er um die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste. In einem neuen Urteil wendet sich der BGH nun von dieser Rechtsprechung ab und stellt höhere Anforderungen an den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen.

Für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes soll nun nicht mehr allein auf die Kenntnis des Schuldners um seine Zahlungsunfähigkeit abgestellt werden. Dies sei mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar. Es soll eine klare Abgrenzung zur Deckungsanfechtung nach § 130 InsO erreicht werden. Bei Anwendung der bisherigen Rechtsprechung würden sich die Anfechtungstatbestände des § 130 InsO und des § 133 InsO lediglich im Anfechtungszeitraum unterscheiden. Dies sei jedoch gesetzessystematisch nicht gewollt. Der Empfänger einer kongruenten Leistung soll grundsätzlich eine ihm zustehende Leistung behalten können. Das Vertrauen in den Erhalt dieser Leistung ist lediglich dann nicht mehr schützenswert, wenn der Gläubiger die Krise des Schuldners kannte.

Des Weiteren könne man in vielen Fällen von der erkannten Zahlungsunfähigkeit nicht gleich auf die Gläubigerbenachteiligungsabsicht schließen. Häufig geht der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass er all seine Gläubiger befriedigen könne. Entscheidend sei daher nach dem BGH vielmehr, dass der Schuldner es zumindest billigend in Kauf nimmt, auch zukünftig nicht in der Lage zu sein, seine übrigen Gläubiger vollständig befriedigen zu können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist die Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung.

Parallel dazu bewertet der BGH auch die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Anfechtungsgegners.

Weiterhin darf nach dem BGH nicht automatisch von der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf die eingetretene Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Die drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO stellt lediglich einen Eröffnungsgrund dar, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt. Es widerspräche daher der gesetzgeberischen Wertung, die drohende Zahlungsunfähigkeit insolvenzanfechtungsrechtlich wie die eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu behandeln. Kommen jedoch weitere Beweiszeichen in Betracht, kann in einer Gesamtschau die drohende Zahlungsunfähigkeit weiterhin ein Indiz im Rahmen der Vorsatzanfechtung sein.

Es bleibt abzuwarten, welche Folgen das Urteil in der anfechtungsrechtlichen Praxis mit sich bringt. Fest steht jedoch, dass der Insolvenzverwalter vor höhere Herausforderungen im Rahmen der Vorsatzanfechtung gestellt wird. Der Nachweis der subjektiven Voraussetzungen gestaltet sich ohnehin schwer, da diese allein anhand von objektiven Tatsachen hergeleitet werden können. Gerade bei Anfechtungen von kongruenten Deckungen war die Kenntnis um die Zahlungsunfähigkeit das wesentliche Beweiszeichen, auf das sich der Insolvenzverwalter stützen konnte.


Bundesgerichtshof, Urteil vom 06. Mai 2021 – IX ZR 72/20

19.08.2021, 09:30
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