Die Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO - Segen oder Fluch?

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 07.12.2011 hat der Gesetzgeber die Eigenverwaltung gestärkt und diese faktisch über Nacht zu einem der meist diskutierten Begriffe der Insolvenzordnung hinaufgehoben. Man kann sogar sagen, die Eigenverwaltung (§ 270 a InsO) und das Schutzschirmverfahren (§ 270 b InsO), als spezielle Form der vorläufigen Eigenverwaltung, waren plötzlich in aller Munde.

Aus den genannten Gründen wird die Eigenverwaltung mit dem ESUG verknüpft, was jedoch nur die halbe Wahrheit darstellt. Verkannt wird dabei, dass das Eigenverwaltungs­verfahren als Sanierungsinstrument bereits seit 1999 mit der Einführung der Insolvenzordnung zur Verfügung steht. Das Verfahren führte jedoch ein absolutes Schattendasein und fand kaum Anwendung. Dies mag vor allem daran gelegen haben, dass lediglich das Eigenverwaltungsverfahren nach Insolvenzeröffnung geregelt war. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass die Weichen für eine erfolgreiche Sanierung bereits im vorläufigen Verfahren gestellt werden. Mit dem ESUG hat der Gesetzgeber daraufhin mit der Einführung von §§ 270 a ff. InsO konsequenterweise die Möglichkeit vor­läufiger Eigenverwaltungsverfahren geschaffen. Dies war auch sinnvoll, da, wie beschrieben, ein vorläufiges Insolvenzverfahren und dann ein Übergang in ein Eigenverwaltungsverfahren relativ uninteressant als Sanierungsinstrument erschienen.

1)    Was macht die Eigenverwaltung attraktiv?

In den Jahren 2012 und 2013 war oft von den positiven Außeneffekten zu hören. Insbesondere wurde oft das Argument vorgebracht, dass die Eigenverwaltung bei effektiver Pressearbeit in der Außenwahrnehmung nicht als Insolvenzverfahren, sondern als Mittel zur Neuausrichtung des Betriebs wahrgenommen wird. Diese Effekte waren in den beschriebenen Jahren durchaus vorhanden. So konnten auch wir im Rahmen des Schutzschirmverfahrens der ARO Heimtextilien GmbH (Az.: 830 IN 1267/13, Insolvenzgericht Nürnberg) feststellen, dass bei einigen Stake-Holdern und vorwiegend im Kundenbereich nicht wirklich ankommen war, dass das Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO ein Verfahren nach der Insolvenzordnung darstellt. Die beschriebenen Effekte sind jedoch seit Längerem nicht mehr spürbar.

Interessant für die Geschäftsleitung ist weiterhin sicherlich, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO nicht auf einen Insolvenzverwalter übergeht, sondern die Schuldnerin verfügungsbefugt bleibt und unter der Aufsicht eines Sachwalters steht. Der Sachwalter soll gem. § 274 Abs. 2 InsO im Wesentlichen gewährleisten, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften eingehalten werden und hat bei drohenden Nachteilen für die Gläubiger gem. § 274 Abs. 3 InsO gewisse Anzeigepflichten.

Ein weiterer Anreiz ist die vermeintlich bessere Steuerbarkeit hinsichtlich Erhalt und Entschuldung des Rechtsträgers durch das Insolvenzplanverfahren. Nach einer Entscheidung des LG Stade (Beschluss v. 29.12.2017 – 7 T 151/17) kann der Eigenverwalter nicht verpflichtet werden, einen sogenannten Dual-Track-Prozess, d. h. eine Suche nach einem externen Übernehmer im Rahmen eines M&A-Verfahrens, durchzuführen. Damit wird neben der eigenen Haftung eine der größten Ängste des Schuldners (Verlust des eigenen Unternehmens) angesprochen.

2)    ESUG-Evaluation und aktuelle Tendenzen

Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluss v. 27.10.2011 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7511, S. 5) die Bundesregierung beauftragt, 5 Jahre nach Inkrafttreten des ESUG durch eine Expertenkommission 5 Fragen hinsichtlich der Auswirkungen des ESUG auf die Insolvenzrechtspraxis zu beantworten.

Dabei wurde u.a. auch festgestellt, dass die Änderungen weitestgehend angenommen wurden und eine Rückkehr zum alten Recht nicht gewünscht sei.

Aus meiner Sicht ist an dieser Stelle jedoch ergänzend festzustellen, dass die Anzahl der Eigenverwaltungs­verfahren weiterhin überschaubar ist. Interessant ist jedoch, dass eine Vielzahl der mittleren und größeren Betriebsfortführungsfälle in Eigenverwaltung erfolgen. Eine Vielzahl dieser Fälle wird aber wiederum bereits während des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens in ein vorläufiges Insolvenzverfahren überführt bzw. als Regelinsolvenzverfahren eröffnet.

Diese Tendenz ist aus meiner Sicht darauf zurückzuführen, dass nicht alle Verfahren als Eigenverwaltungs­verfahren geeignet sind bzw. die Antragsvorbereitung zu spät stattfindet und daher die Vorteile und Möglichkeiten der Eigenverwaltung aufgrund des Zeitfortschrittes nicht mehr zum Tragen kommen können.

3)    Wie sollte man stattdessen vorgehen?

Aus meiner Sicht eignen sich Verfahren erst ab einer gewissen Größe als Eigenverwaltungsverfahren. Die Erfahrung zeigt, dass dies aufgrund der zwangsläufig anfallenden Beratungskosten nur mittlere und größere Unternehmen schultern können. Hierzu werden unterschiedliche Größenkriterien diskutiert. Meiner Meinung nach sollten als Größenkriterien für den Zugang zur Eigenverwaltung mindestens die Kriterien aus § 22 a Abs. 1 InsO angewendet werden. Man kann auch darüber diskutieren, ob die Größen­kriterien nicht noch höher anzusetzen sind. Eine Anhebung der Größenkriterien würde aus meiner Sicht sicherstellen, dass eine Eigenverwaltung nur bei den Unternehmen in Betracht zu ziehen wäre, die sich auch entsprechend professionell beraten lassen.

Eine professionelle Beratung und Begleitung im Eigenverwaltungsverfahren setzt stets das fachliche Know-How und die entsprechenden Kapazitäten auf Beraterseite voraus, da der Schuldner im Verfahren vielfältige Aufgabe eines im Regelverfahren bestellten Insolvenzverwalters wahrnehmen muss und die dabei auftretenden rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen über seinen Berater abdecken muss. Eine Abwicklung in Eigenverwaltung ohne entsprechende Unterstützung durch einen versierten Berater ist aufgrund deren Komplexität von vorne herein immer zum Scheitern verurteilt.

4)    Fazit:

Obwohl ich vorwiegend als Insolvenzverwalter tätig bin, stellt die Eigenverwaltung für mich ein Modell dar, welches grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Dreht man nun an einigen Stellschrauben wie z.B. den Größenkriterien, so kann es ein großes Erfolgsmodell zur Sanierung von Unternehmen im Insolvenzver­fahren werden.

Wesentlich ist auch die Einsicht, sich frühzeitig professionell beraten zu lassen, da nur dann entsprechende Sanierungsinstrumente zielführend eingesetzt werden können.

15.08.2019, 10:47
Kategorien: Veröffentlichungen