Desinfektions- und Hygienekosten in Zeiten der Pandemie

Ein andauernder Streitpunkt bei der Reparaturkostenerstattung sind seit dem Frühjahr 2020 die Kosten der Desinfektion aufgrund der Corona-Pandemie. Die Versicherer wenden ein, dass für diese Maßnahme ein höherer, gesonderter Betrag nicht erstattet werden könne, weil diese Kosten üblicherweise Bestandteil der Gemeinkosten und somit bereits im Stundenverrechnungssatz anteilig enthalten seien.

Das AG Vaihingen entschied mit Urteil vom 29.06.2021, dass der Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten während der Virus-Pandemie auch die Desinfektions- und Hygienekosten der Reparaturfirma umfasst. Denn pandemiebedingte Zusatzkosten gehören zum erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwand.

Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Im August 2020 - und damit während der Corona-Pandemie - wurde ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die alleinige Haftung des Unfallverursachers war unstreitig. Nach Reparatur des Fahrzeugs weigerte sich der Haftpflichtversicherer die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten für Desinfektions- und Hygienemaßnahmen in Höhe von 81,00 € zu erstatten. Diese Kosten waren bereits im Sachverständigengutachten enthalten.

Das Amtsgericht Vaihingen war der Auffassung, dass diese Kosten für die Schadensbeseitigung erforderlich waren und nach den Grundsätzen des Werkstattrisikos, das seit jeher der Schädiger trägt, zu ersetzen sind. Sie wären nicht angefallen, wäre das Fahrzeug nicht während der Pandemie beschädigt worden. Pandemiebedingte Zusatzkosten gehören deshalb zum erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwand. Der Sachverständige habe die Kosten in seinem Gutachten berücksichtigt, die Werkstatt habe sie genauso ausgeführt und in die Rechnung aufgenommen. Schließlich habe die Klägerin auch keine Möglichkeit gehabt, diese Kosten zu vermeiden, weil alle Werkstätten diese Hygienemaßnahmen durchführen und sodann dem Kunden in Rechnung stellen.

Dieses Urteil reiht sich ein in eine Vielzahl gleichlautender erstinstanzlicher Entscheidungen. Auch das AG München, Urteil vom 27.11.2020 – 333 C 17092/20, und das AG Frankenthal, Urteil vom 12.04.202 – 3a C 253/20, haben entschieden, dass die Kosten für die Desinfektion während der Pandemie zu erstatten sind. Denn in den Arbeitswerten und Stundensätzen seien nur die Kosten der üblichen Fahrzeugreinigung inbegriffen. Die Desinfektion stelle eine zusätzliche erforderliche Maßnahme dar, Corona-Viren auf den vermeintlich kontaminierten Oberflächen des Fahrzeugs unschädlich zu machen.

Diese Entscheidungen bieten auch für die Erstattungspflicht von Desinfektionskosten bei der fiktiven Schadensabrechnung oder beim Kasko-Schadensfall eine gute Argumentationslinie, um Ihre Schadensersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen.


AG Vaihingen, Urteil vom 29.06.2021 – 1 C 129/21

27.07.2021, 14:30
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht