Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer – in Umsetzung der ihm obliegenden Fürsorgepflicht kann der Arbeitgeber auf Grundlage eines betrieblichen Hygienekonzepts einseitig Corona-Tests anordnen

Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.

Nach diesen Maßgaben hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen eines Urteils vom 01.0ß6.2022 (5 AZR 28/22) entschieden, dass die Anweisung des beklagten Freistaats zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig war. Der Arbeitgeber hatte mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vorsah. Hierdurch sollte der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden.
Die Klägerin war als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt und hatte sich geweigert PCR-Tests durchführen zu lassen und insbesondere gemeint, diese seien zu ungenau und stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit dar. Anlasslose Massentests seien unzulässig. Der beklagte Freistaat hat daraufhin in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 die Gehaltszahlungen an die Klägerin eingestellt. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens. Weiter verlangte sie, ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 beschäftigt zu werden.

Das BAG hat die Klage der Klägerin entsprechend den beiden Vorinstanzen abgewiesen und dargelegt, dass die auf dem arbeitgeberseitigen Hygienekonzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin billigem Ermessen iSv. § 106 GewO entsprachen. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mache die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird. Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt (§ 297 BGB), dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin, die die Durchführung von PCR-Tests verweigert hat, nicht bestehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.06.2022 –5 AZR 28/22
Pressemitteilung vom 01.06.2022

02.06.2022, 13:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht