BGH: Bedürfen nachträgliche Änderungen von vertragswesentlichen Vereinbarungen der Schriftform?

Aufgrund des nachfolgenden Sachverhalts, hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 15.09.2021 (Az. XII ZR 60/20) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit bei Änderungen von vertragswesentlichen Vereinbarungen die gesetzliche Schriftform zu wahren ist:

Die Parteien des Rechtsstreits sind durch einen befristeten Gewerberaummietvertrag bezüglich Büroräumen miteinander verbunden. Nachdem die Vermieterin länger andauernde Umbaumaßnahmen am Mietobjekt vorgenommen hat, einigten sich die Parteien mündlich darauf, dass die Miete zunächst für die Dauer von neun Monaten (Oktober 2017 bis Juni 2018) um 15 % gemindert wird. Im Juni 2018 – und damit kurz vor Ablauf der Minderungszeit – einigten sich die Parteien in einer E-Mail-Korrespondenz auf eine weitere Mietminderung um 10 % ab Juli 2018 bis zur Beendigung der Umbaumaßnahmen im Jahr 2018.
Daraufhin kündigte die klagende Vermieterin das Mietverhältnis im Oktober 2018 mit der Begründung, dass die Änderungsvereinbarungen bezüglich der Mietminderung für die Monate Oktober 2017 bis Ende 2018 nicht dem Schriftformerfordernis gem. § 550 S. 1 BGB entsprochen hätten. Die Vermieterin begehrte im darauffolgenden Rechtsstreit Räumung und Herausgabe der vermieteten Büroräumlichkeiten.

Der BGH führte im genannten Beschluss hierzu aus, dass die Änderung der Miethöhe stets eine wesentliche Vertragsänderung sei und demnach dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB grundsätzlich unterfallen würde. Jedoch seien Vereinbarungen zur Miethöhe nur dann schriftformbedürftig, wenn diese für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum gelten. Insoweit verwies der BGH auf den Zweck der Vorschrift des § 550 BGB. So soll hierdurch insbesondere die Beweisbarkeit langfristiger Abreden gewährleistet werden und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen geschützt werden. Der Gesetzgeber habe dabei in § 550 S. 1 BGB die Grenze benannt, bis zu der nicht von einer „Langfristigkeit“ auszugehen ist und diese auf ein Jahr festgelegt.

Die beiden Vereinbarungen der Mietvertragsparteien bezüglich der Mietminderung hätten jedoch jeweils eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr, weshalb diese nicht dem Schriftformerfordernis unterfielen. Insoweit sei, so die Bundesrichter, hinsichtlich der Frage der Schriftformbedürftigkeit auf die Laufzeit der einzelnen Abreden abzustellen, nachdem diese die Vertragsparteien auch nur für diesen Zeitraum binden könnten. Unerheblich sei dagegen, dass beide Mietminderungsvereinbarungen zusammen mit einer Laufzeit von 15 Monaten den Zeitraum von einem Jahr überschritten. Eine Addition der Laufzeit von beiden Vereinbarungen dürfe insoweit nicht erfolgen.

Nachdem somit ein Schriftformverstoß nicht gegeben sei und die von der Vermieterin darauf gestützte Kündigung unberechtigt war, bestünden keine Räumungs- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen die beklagte Mieterin.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2021 – XII ZR 60/20.

08.03.2022, 13:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Mietrecht Gewerbe