Besserer Schutz des Mieters vor Eigenbedarfskündigungen des Vermieters?

Das Landgericht Berlin hat den Schutz alter und am Wohnort verwurzelter Mieter vor der Eigenbedarfskündigung des Vermieters gestärkt. Das LG Berlin gab einer 89-jährigen Mieterin Recht, die von ihrer Vermieterin auf Räumung und Herausgabe ihrer Wohnung verklagt wurde. Die Mieterin könne aufgrund ihres hohen Lebensalters und ihrer starken, langjährigen Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.

Die 89-jährige Beklagte hatte die streitgegenständliche Wohnung bereits im Jahre 1997 von den Rechtsvorgängern der klagenden Vermieterin angemietet. Die Klägerin erklärte erstmals 2015 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. In der Folge erklärte die Vermieterin noch mehrmals eine Eigenbedarfskündigung gegenüber der Mieterin. Die Beklagte widersprach den Kündigungen und berief sich dabei auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre beschränkten finanziellen Mittel und die demnach erschwerte Möglichkeit zur Beschaffung von Ersatzwohnraum sowie die langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache.

Nachdem das Amtsgericht Mitte die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen hatte, wies das LG Berlin nunmehr die Berufung zurück. Es käme hierbei nicht auf die von der Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen an, da sich die Mieterin auch ohne diese auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen könne. Dies deshalb, weil die Mieterin sich zum Zeitpunkt des potentiellen Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befindet und aufgrund des langjährigen Bestehens des Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt ist.

Für die Beklagte wäre ein Wohnungsverlust und dessen Folgen so schwerwiegend, dass dies eine Verletzung ihrer Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz bedeuten würde, so das LG Berlin.

Insofern müssen die Interessen der Vermieterin dahinter zurückstehen. Die hier zu treffende Interessenabwägung fiele nur dann zugunsten der klagenden Vermieterin aus, wenn sie besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne. Hierfür müsste die Vermieterin ein zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse wie die beklagte Mieterin darlegen.

Nachdem die von der Vermieterin beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung jedoch lediglich auf bloßen Komfortzuwachs gerichtet sei und hiermit nur unerhebliche wirtschaftliche Nachteile vermieden werden sollen, könne die Klägerin ein solch hohes Erlangungsinteresse jedoch nicht geltend machen.

Landesgericht Berlin, Urteil vom 25.05.2021 – Az. 67 S 345/18

04.10.2021, 14:25
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Mietrecht Privat