Ausschlagung des Erbes für minderjährige Kinder

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte sich in einer Entscheidung vom 14.9.2018 mit der Frage der Wirksamkeit der Erbausschlagung eines Minderjährigen zu befassen, welche die Mutter erklärt hatte. Diese wollte für ihre zwei minderjährigen Kinder das Erbe des verstorbenen Vaters, von dem sie geschieden war, ausschlagen, da der Nachlass überschuldet war. Die entsprechende Erklärung gab sie innerhalb der gesetzlichen Ausschlagungsfrist von sechs Wochen beim Nachlassgericht in Vertretung der Kinder ab und beantragte zugleich die in ihrem Fall erforderliche familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung. Den in der Folgezeit ergangenen Zustimmungsbeschluss des Familiengerichts hat sie gegenüber dem Nachlassgericht jedoch nicht in Gebrauch genommen, weshalb ihre Kinder doch zu Erben wurden.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es in erbrechtlichen Angelegenheiten ist, die gesetzlichen Form- und Fristerfordernisse genau zu beachten, um die Erbfolge - gleich aus welcher Richtung - wirksam zu gestalten.

1. Minderjährige als Erben

Minderjährige Kinder können Erben sein, sei es in gewillkürter Erbfolge des Erblassers durch Nennung in einem Testament oder Erbvertrag oder im Zuge der gesetzlichen Erbfolge, wenn ein Elternteil verstirbt oder zum Zeitpunkt des Todes eines entfernteren Verwandten ein Elternteil bereits vorverstorben war. Wer zum Erben berufen ist, tritt mit dem Tod des Erblassers (automatisch) in die Erbenstellung ein, wenn er nicht innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft die Ausschlagung des Erbes erklärt. Die Gründe, eine Erbschaft nicht anzunehmen, können dabei vielfältig sein. Neben persönlichen Motiven wird eine Erbschaft in der Regel dann ausgeschlagen, wenn zu erwarten ist, dass der Nachlass überschuldet ist. Durch die Ausschlagung wird vermieden, dass der Erbe mit seinem eigenen Vermögen für Verbindlichkeiten des Erblassers haften muss. Dies wäre auch beim minderjährigen Erben der Fall. In dieser Situation stellt sich für die Eltern die Frage, ob sie die Erbschaft als Vertreter des Kindes ausgeschlagen sollen.

2. Formbedürftigkeit der Ausschlagung

Erbschaftsausschlagungen sind stets formbedürftig. Die Ausschlagungserklärung ist direkt beim zuständigen Nachlassgericht zur Niederschrift zu erklären oder durch einen Notar, bei dem die Erklärung beurkundet wird, einzureichen. Die Kosten, die u.a. vom Wert des ausgeschlagenen Erbes abhängen, sind in beiden Varianten mit Ausnahme der Mehrwertsteuer, die auf die Dienstleistung des Notars zusätzlich anfällt, gleich.

3. Vertretung durch die sorgeberechtigten Eltern

Für den Minderjährigen wird die Ausschlagungserklärung durch die Eltern als gesetzliche Vertreter abgegeben. Haben diese das gemeinsame Sorgerecht, müssen auch beide die Ausschlagungserklärung abgegeben. Die Erklärung von nur einem Elternteil wäre in diesem Fall nicht ausreichend. Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, reicht dessen Erklärung.

4. Genehmigung des Familiengerichts

Die durch die Eltern erklärte Ausschlagung muss grundsätzlich durch das Familiengericht genehmigt werden (§ 1643 Abs. 2 S. 1 BGB). Dies dient dem Schutz des Kindes, auf dessen Wohl das Handeln der Eltern ausgerichtet sein muss. Der Genehmigung bedarf es ausnahmsweise dann nicht, wenn das minderjährige Kind Erbe wird, weil ein Elternteil für sich selbst die Ausschlagung erklärt hat. (Beispiel: Großvater des Kindes ist gestorben. Dessen Tochter und Mutter des Enkelkindes erklärt für sich selbst und ihr Kind jeweils die Ausschlagung.) Die familiengerichtliche Genehmigung hat insbesondere den Zweck, zu verhindern, dass ein Elternteil für sein minderjähriges Kind die Ausschlagung erklärt, um selbst mehr zu erben (dies wäre beispielsweise beim Versterben des Ehepartners, der zugleich Vater des gemeinsamen Kindes ist, der Fall).

5. Ausschlagungsfrist

Die Ausschlagung eines Erbes muss innerhalb von sechs Wochen ab der Kenntnis des Berechtigten vom Anfall der Erbschaft und vom Grund der Berufung zum Erben beim Nachlassgericht eingehen. Bei der Berufung zum Erben durch eine Verfügung von Todes wegen beginnt die Frist nicht vor der Verkündung des Testaments oder des Erbvertrags durch das Nachlassgericht. Im Fall des Minderjährigen beginnt der Fristlauf erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der gesetzliche Vertreter - bei gemeinsamer Sorge beide Eltern, bei alleinigem Sorgerecht eines Elternteils nur dieser - von den genannten Umständen Kenntnis hat. Ist eine familiengerichtliche Genehmigung einzuholen, muss der Antrag hierzu innerhalb der 6-Wochen-Frist beim Familiengericht gestellt und dies dem Nachlassgericht mitgeteilt sein. Die Entscheidung des Familiengerichts selbst muss dagegen nicht innerhalb der sechs Wochen ergehen, der Fristablauf wird solange gehemmt, bis das Familiengericht eine Entscheidung getroffen hat. Die Entscheidung des Familiengerichts ist dem Nachlassgericht jedoch unverzüglich nach Erhalt durch den oder die Sorgeberechtigte/n nachzureichen. Entscheidend ist dabei nach Ansicht des OLG Frankfurt, dass die Sorgeberechtigten gegenüber dem Nachlassgericht nochmals zum Ausdruck bringen, ob sie an der für den Minderjährigen abgegebenen Erklärung der Ausschlagung des Erbes auch nach der Entscheidung des Familiengerichts - der Zustimmung - weiter festhalten. Daher ist es nicht ausreichend, wenn das Nachlassgericht auf sonstigem Wege, beispielsweise von Seiten des Familiengerichts, davon Kenntnis erlangt, dass die Zustimmung erteilt ist, wenn die Sorgeberechtigten hierzu keine Erklärung, und sei es nur durch die Übersendung der Genehmigung, abgeben.


Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, Beschl. v. 14.09.2018 - 21 W 56/18

29.11.2021, 10:45
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht