Arbeitszeugnis – kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schlussformulierung mit einer Dankes- und Wunschformel

Gemäß § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, welches mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthält. Der Arbeitnehmer kann darüber hinaus verlangen, dass sich die Angaben auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (qualifiziertes Arbeitszeugnis).

Zwischen den Arbeitsvertragsparteien kommt es mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig zu der Streitfrage, ob der Arbeitgeber bei Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses dazu verpflichtet ist, diese mit einer Schlussformulierung zu versehen, im Rahmen derer er dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünscht.

Im Rahmen eines nunmehr veröffentlichten Urteils vom 25.01.2022 (9 AZR 146/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Aufnahme einer Dankes- und Wunschformel in Arbeitszeugnis hat, und insoweit ein Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.01.2021 aufgehoben.

Das BAG führt in seiner Entscheidung zunächst aus, dass es an seiner Rechtsprechung, wonach der Arbeitnehmer unmittelbar aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann, uneingeschränkt festhält. Auch eine fassungskonforme Auslegung der Vorschrift führe zu keinem anderen Ergebnis.

Wäre eine Dankes- und Wunschformel integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, innere Gedanken über und Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern. Hierdurch würde seine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte negative Meinungsfreiheit beeinträchtigt, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern und insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, eine fremde Meinung als eigene zu verbreiten.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts handele es sich bei einer Dankes- und Wunschformel nicht um eine bloße Höflichkeitsformel ohne Beziehung zur Wirklichkeit. Selbst wenn Arbeitgeber die Schlussformel teilweise nur floskelhaft aus Gründen der Höflichkeit verwenden, ohne die mitgeteilten Gefühle zu empfinden, enthält sie überprüfbare innere Tatsachen. Der Arbeitgeber kann Dank empfinden und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünschen oder auch nicht. Ist die Tatsachenbehauptung wahr, unterfällt ihre Äußerung wie ihre Nichtäußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit.
Der Eingriff in den Schutzbereich wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass eine Vielzahl von Arbeitgebern dazu übergegangen ist, Schlussformeln in ihre Arbeitszeugnisse aufzunehmen, und deshalb entsprechendes von anderen Zeugnisverfassern erwartet. Erst recht kann ein Arbeitgeber, der seinem ausscheidenden Arbeitnehmer gegenüber weder Dank empfindet noch ihm eine positive Zukunft wünscht, nicht gezwungen werden, aus Höflichkeit oder aufgrund einer Erwartungshaltung Dritter eine unwahre Erklärung über seine innere Haltung abzugeben. Dies stände weder im Einklang mit dem einfachgesetzlichen Verbot der Zeugniswahrheit noch mit der negativen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der negativen Meinungsfreiheit des Arbeitgebers und der geringen Relevanz bei der Realisierung des Zeugniszwecks besteht weder ein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Arbeitszeugnis mit entsprechender Schlussformel noch eine Verpflichtung des Arbeitgebers, ein solches zu erteilen.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers sei darüber hinaus auch bei einer leicht überdurchschnittlichen Bewertung nicht aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO abzuleiten.

Das Rücksichtnahmegebot kann nach den Ausführungen des BAG nicht herangezogen werden, um abschließende gesetzliche Regelungen zu erweitern. Die Regelung zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO sei abschließend. Der Gesetzgeber habe dort ausdrücklich aufgelistet, auf welche Inhalte ein Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 109 GewO am 24. August 2002 die kurz zuvor ergangene Entscheidung des Senats, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Schlussformel hat (vgl. BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00) gekannt. Im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung, § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO nicht um weitere Inhalte zu ergänzen, würde die Ableitung eines Anspruchs aus § 241 Abs. 2 BGB die Grenzen zulässiger Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022 –9 AZR 146/21

23.06.2022, 11:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht