Anwendung des § 133 Abs. 2 InsO auf eine inkongruente Gewährung einer Sicherheit

§ 133 Abs. 2 InsO in der ab 5. April 2017 geltenden Fassung ist auch auf inkongruente Deckungen anzuwenden (vgl. BT-Drs. 18/7054 S. 13).
Bei einer Sicherungsübereignung wird das Schuldnervermögen bereits durch diese und nicht erst durch die Verwertung des Sicherungseigentums und den Entfall des Rückübertragungsanspruchs des Schuldners verkürzt (Anschluss an BGH, Urteil v. 14. September 2017, IX ZR 108/16, Rn. 16; Urteil v. 21. November 2013, IX ZR 128/13 Rn. 12; Urteil v. 26. April 2012, IX ZR 67/09, Rn. 22). Daher kommt es in diesem Fall für den Fristlauf nach § 133 Abs. 2 InsO in der ab 5. April 2017 geltenden Fassung auf den Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags und dessen Erfüllung an.

(OLG München, Beschluss vom 09.02.2021 – 5 U 6404/20)


Anmerkung

Das Gericht zeigt mit einer sehr gut nachvollziehbaren Begründung auf, warum einerseits auch inkongruente Deckungshandlungen in den Anwendungsbereich des § 133 Abs.2 InsO fallen. Und andererseits, warum der Rechtserwerb des Gläubigers bei einer Sicherungsübereignung bereits mit dem Abschluss der Sicherungsübereignungsvereinbarung nebst dessen Vollzug für den Zeitpunkt der Anfechtung maßgeblich ist.

Sachverhalt

Aufgrund Eigenantrags des Herrn T… K… (im Folgenden: Schuldner) vom 05.09.2016 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 20.04.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Zur Sicherung von Steuerrückständen des Schuldners in Höhe von 2.132.739,60 € schloss das Finanzamt D… für den Beklagten mit dem Schuldner am 03.05.2012 einen Sicherungsübereignungsvertrag, in dem der Schuldner sein Eigentum an einem Pferd namens Q… sowie an mehrere Uhren auf den Beklagten übertrug. Dabei sollte das Eigentum an diesen Sachen gemäß § 4 des Sicherungsübereignungsvertrags mit dem Tag der Unterzeichnung auf den Beklagten übergehen, wobei die Übergabe durch die Vereinbarung ersetzt wurde, dass der Beklagte die Sachen dem Schuldner leihweise überlässt bzw., soweit sich die Sachen bei Dritten befanden, der Schuldner den Anspruch auf Herausgabe an den Beklagten abgetreten und dieser die Abtretung angenommen hat. Gemäß § 8 stand dem Schuldner ein Rückübertragungsrecht zu, sobald und soweit die gesicherten Ansprüche erloschen und/oder die sicherungsübereigneten Sachen zu deren Sicherung nicht mehr erforderlich sind. In der Folge erlangte der Beklagte aus der Verwertung des Pferdes Q… am 29.04.2013 einen Betrag von 60.000 € sowie weitere 25.000 € aus der Verwertung der Uhren am 03.06.2013.

Zur Tabelle meldete u.a. das Finanzamt D… Forderungen von insgesamt 2.439.158,33 € an. Bei Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags bestanden insbesondere aus dem Jahr 2011 fällige Forderungen des Finanzamts D… in einer Höhe von ca. 1,75 Mio. €, die bis zur Insolvenzeröffnung unbeglichen blieben.

Der Kläger hat die insolvenzrechtliche Anfechtung mit der Auffassung erklärt und Klage erhoben, ihm stehe hinsichtlich der aus der Verwertung des Pferdes Q. sowie der Uhren durch den Beklagten erlangten Beträge ein Anspruch aus §§ 129, 133, 143 InsO zu. Dabei komme es für die Frist des § 133 Abs. 1 InsO nicht auf den Abschluss des Sicherungsvertrages, sondern auf die Zeitpunkte der Erlösauskehrung an. Insbesondere unterfielen die Sicherungsübertragungen nicht dem § 133 Abs. 2 InsO. Denn eine Deckungshandlung im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO liege nur vor, wenn durch die Hingabe der Sicherheit ein Anspruch auf Einräumung der Sicherheit erfüllt werde. Da dem Beklagten zwar ein Zahlungsanspruch, nicht aber einen Anspruch auf die Hingabe der Sicherheit zugestanden hätte, handele es sich nicht um eine Deckungshandlung, sondern um eine Vermögensverschiebung, auf die § 133 Abs. 1 InsO und damit die Zehnjahresfrist anwendbar sei. Infolge der im Anfechtungsschreiben vom 04.12.2017 gesetzten Zahlungsfrist sei ab dem 23.12.2017 Verzug eingetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Ansinnen weiter.

Entscheidungsgründe

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus:

“1. Auch nach dem weiteren Vorbringen des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 133 Abs. 2 InsO und damit der Frist von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor.

a. Nach seinem Wortlaut greift § 133 Abs. 2 InsO ein, wenn durch die Rechtshandlung des Schuldners dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund findet § 133 Abs. 2 InsO jedenfalls Anwendung auf Deckungshandlungen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenspiel mit den §§ 130 f. InsO (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 10 zu § 133 InsO) sowie insbesondere auch aus der Gesetzesbegründung. Dieser zufolge soll § 133 Abs. 1 InsO „weiter als Grundtatbestand der Vorsatzanfechtung fungieren, der grundsätzlich für sämtliche Schuldnerhandlungen gilt“. § 133 Abs. 2 InsO soll insbesondere auf die Vorsatzanfechtung „aller (kongruenten und inkongruenten) Deckungshandlungen“ Anwendung finden, während es für „die paradigmatischen Fälle der Vorsatzanfechtung wie z.B. die Rückgängigmachung von Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen“ demgegenüber „bei dem bisherigen zehnjährigen Anfechtungszeitraum“ bleiben soll (vgl. BT-Drucksache 18/7054, S. 13). Hiernach können auch inkongruente Deckungen nur noch innerhalb der Vierjahresfrist vor Antragstellung angefochten werden, während es bei Vermögensverschiebungen sowie Bankrotthandlungen bei der Zehnjahresfrist des § 133 Abs. 1 InsO bleibt (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 10 zu § 133 InsO).

b. Vor diesem Hintergrund stellt der Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags sowie die zugleich erfolgte Eigentumsübertragung eine von § 133 Abs. 2 InsO erfasste Deckungshandlung dar. Zwar ist eine Abgrenzung zwischen den in den Anwendungsbereich des § 133 Abs. 2 InsO fallenden Deckungshandlungen und den nur § 133 Abs. 1 InsO unterfallenden sonstigen Rechtshandlungen wie z.B. Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen vorzunehmen. Diese kann jedoch nicht, wie der Kläger meint, in der Weise erfolgen, dass nur Befriedigungen des konkret bestehenden Anspruchs (z.B. auf Zahlung) als Deckungshandlungen anzusehen wäre.

(1) Denn nach dem Wortlaut des § 133 Abs. 2 InsO gilt dieser nicht nur für die Gewährung oder Ermöglichen von Befriedigung, sondern auch für die Gewährung von Sicherung. Unter den Begriff der Deckungsgeschäfte fallen daher Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger Befriedigung oder Sicherung gewähren (vgl. Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, Rn. 5 zu § 130 InsO). Dabei ist unter Befriedigung die (vollständige) Erfüllung eines Anspruchs zu verstehen (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 7 zu § 130 InsO; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, Rn. 9 zu § 130 InsO), während Sicherung eine Rechtsposition ist, die geeignet ist, die Durchsetzung des Anspruchs, für den sie eingeräumt ist und der fortbesteht, zu erleichtern. Unter diesen, weit zu verstehenden Begriff fallen sämtliche Arten von Sicherheiten, insbesondere auch die vertragliche Einräumung von Sicherungseigentum (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 8 zu § 130 InsO; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, Rn. 9 zu § 130 InsO; BeckOK InsO/Raupach, 21. Ed. 15.10.2020, Rn. 7 zu § 130 InsO).

(2) Hiernach kann die Unterscheidung zwischen Deckungshandlungen, für die § 133 Abs. 2 InsO gilt, und sonstigen Rechtshandlungen nicht dahingehend getroffen werden, dass alle Rechtshandlungen, die sich nicht als Befriedigung des konkreten Anspruchs darstellen, als sonstige Rechtshandlungen anzusehen wären. Denn dies würde die Anwendung des § 133 Abs. 2 InsO auf Sicherungen, die den Anspruch gerade nicht erfüllen, sondern nur dessen Durchsetzung erleichtern, entgegen dem Wortlaut des § 133 Abs. 2 InsO und dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten Willen des Gesetzgebers ausschließen.

Zudem kann es darauf, ob im Falle der Gewährung einer Sicherung schon vorher ein Anspruch auf diese konkrete Sicherung bestanden hat, für die Frage der Anwendbarkeit des § 133 Abs. 2 InsO auch deshalb nicht ankommen, weil dieser - ausweislich der Gesetzesbegründung - gerade auch auf inkongruente Deckungshandlungen anwendbar sein soll. Eine inkongruente Deckungshandlung liegt aber auch dann vor, wenn einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung gewährt wird, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, § 131 InsO. Wäre also die Gewährung einer Sicherung, auf die ein Anspruch nicht bestand, schon grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 133 Abs. 2 InsO ausgenommen, würden für eine Anwendung nur kongruente Gewährungen von Sicherungen übrigbleiben. Für eine solche Auslegung findet sich weder im Wortlaut des § 133 Abs. 2 InsO noch in der Gesetzesbegründung eine hinreichende Stütze, sie widerspräche vielmehr dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten Willen des Gesetzgebers.

Richtigerweise ist daher die Frage, ob hinsichtlich eines bestehenden (Zahlungs-)Anspruchs ein Anspruch auf die Gewährung der konkreten Sicherung bestand, eine Frage der (In-)Kongruenz, während die Abgrenzung zu sonstigen Rechtshandlungen wie z.B. Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen danach zu erfolgen hat, ob überhaupt ein Anspruch besteht, für den eine Deckung erfolgen, also eine Befriedigung oder Sicherung gewährt bzw. ermöglicht werden kann. Ist dies nicht der Fall oder erfolgt diese Deckung zeitgleich mit der Begründung der Verbindlichkeit (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 10 zu § 133 InsO), handelt es sich schon nicht um die Deckung eines (vor-)bestehenden Anspruchs, so dass § 133 Abs. 2 InsO keine Anwendung findet und die 10-Jahres-Frist des § 133 Abs. 1 InsO gilt.

(3) Vorliegend ist demnach zwar nicht ersichtlich, dass dem Beklagten ein Anspruch auf die durch den Sicherungsübereignungsvertrag gewährte Sicherung im Hinblick auf die unstreitigen Zahlungsansprüche zugestanden hätte. Jedoch wurde durch die darin enthaltene Sicherungsübereignung der betreffenden Gegenstände dem Beklagten die Durchsetzung der vorbestehenden und in dem Sicherungsübereignungsvertrag in § 1 ausdrücklich genannten Zahlungsansprüche erleichtert. Es handelt sich daher um eine Deckungshandlung, auf die § 133 Abs. 2 InsO Anwendung findet. Zwar hatte der Beklagte diese Gewährung einer Sicherung nicht zu beanspruchen, sie war mithin inkongruent, § 131 InsO. Dies hindert die Anwendung des § 133 Abs. 2 InsO nach den ausdrücklichen Ausführungen in der Gesetzesbegründung wie dargelegt jedoch nicht.

(4) Soweit der Kläger der Auffassung ist, die hier streitgegenständlichen Vorgänge seien in die Zahlungsansprüche und deren Erfüllung einerseits sowie die Begründung der Verpflichtung zur Sicherungsübereignung im Sicherungsübereignungsvertrag und deren zeitgleiche Erfüllung andererseits aufzuspalten, mit der Folge, dass auf den Sicherungsübereignungsvertrag insgesamt § 133 Abs. 1 InsO anzuwenden wäre, da hier Verpflichtung und Erfüllung zeitgleich erfolgt sein, schließt sich der Senat dem nicht an. Denn Bezugspunkt für die Frage, ob ein Deckungsgeschäft vorliegt, ist bei der Gewährung einer Sicherung gemäß § 133 Abs. 2 InsO der vorbestehende (Zahlungs-)Anspruch, dessen Durchsetzung durch die Gewährung der Sicherung erleichtert werden soll. Wie dargelegt besteht ein solcher Bezug zum vorbestehenden Zahlungsanspruch nicht nur im Falle der Befriedigung durch Erfüllung, sondern gerade auch - wie hier - im Falle der Gewährung einer Sicherung.

2. Wie hingewiesen ist vorliegend die Rechtshandlung des Schuldners (Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags am 03.05.2012) außerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 InsO von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 05.09.2016 erfolgt. Auch kommt es entscheidend auf diesen an, da die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen unmittelbar durch die Sicherungsübereignung des Pferdes „Q.“ und der Uhren an diesem Tag eingetreten sind und so das Schuldnervermögen bereits durch den Vertragsschluss verkürzt wurde, ohne dass noch ein weiterer Umstand hinzutreten musste (vgl. MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl. 2019 Rn. 30 zu § 140 InsO)

3. Auf die spätere Verwertung der Gegenstände durch den Beklagten kommt es hingewiesenermaßen nicht mehr an. Denn das Eigentum des Schuldners an den betreffenden Gegenständen ist bereits mit dem Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags und der damit einhergehenden Eigentumsübertragung auf den Beklagten übergegangen und damit seinem Vermögen verloren gegangen. Zwar stand dem Schuldner nach § 8 des Sicherungsübereignungsvertrags ein Rückübertragungsrecht zu, sobald und soweit die gesicherten Ansprüche erloschen und/oder die sicherungsübereigneten Sachen zu deren Sicherung nicht mehr erforderlich sind, so dass diese Rechtsposition bis zur Verwertung durch den Beklagten noch im Vermögen des Schuldners verblieben ist (vgl. MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 78b sowie Rn. 152 zu § 129 InsO). Unabhängig davon, ob in der Verwertung der Gegenstände durch den Beklagten überhaupt eine Rechtshandlung des Schuldners im Sinne des § 133 InsO zu sehen ist, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es jedenfalls an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. Denn verwertet ein Gläubiger ein eigenes, - ggf. wegen der nicht rechtzeitigen Ausübung des Anfechtungsrechts - insolvenzbeständiges Sicherungsrecht, so benachteiligt das die Insolvenzgläubiger nicht. Denn es handelt sich um einen wirtschaftlich neutralen Vorgang, da der Gläubiger nur das erhält, was ihm aufgrund des insolvenzbeständigen Sicherungsrechts zusteht (vgl. BGH, Urteil v. 14.09.2017, IX ZR 108/16, Rn. 16; BGH, Urteil v. 21.11.2013, IX ZR 128/13, Rn. 12; BGH, Urteil v. 26.04.2012, IX ZR 67/09, Rn. 22; BGH, Urteil vom 09.10.2003, IX ZR 28/03, unter II. 2. d cc) jeweils m.w.N.; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, Rn. 150 zu § 129 InsO; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, Rn. 211, 214 zu § 129 InsO).”

Resümee

Unter Heranziehung der Gesetzesbegründung stellt das Gericht klar, dass auch inkongruente Deckungen die Anwendung des § 133 Abs. 2 InsO eröffnen. Hinsichtlich der Sicherungsübereignung stellt das Gericht auf den Abschluss der Vereinbarung und die Übertragung des Eigentums ab.

Die Entscheidung erscheint hier sehr wohlwollend gegenüber dem Fiskus ausgefallen zu sein, wird aber durch die eingehende Begründung nachvollziehbar gestützt.