Abzug vergeblicher Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit

Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, können als Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG bei der Erbschaftssteuer abzugsfähig sein. Die Rechtsverfolgung muss jedoch in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall eingeleitet werden.

In dem vom Bundesfinanzhof im Jahr 2019 entschiedenen Fall hatte der Erbe nach dem Tod des Erblassers mehrere Rechtsstreite gegen Banken und Mieter des Erblassers geführt. Diese gingen verloren und verursachten Gerichts- und Anwaltskosten von über 200.000 €, die der Erbe aus dem Nachlass zur Zahlung brachte. Für die Berechnung der Erbschaftssteuer wollte er diese Kosten auch steuerlich berücksichtigt wissen. Das Finanzamt stufte diese jedoch als nicht abzugsfähige Kosten der Nachlassverwaltung ein. Dem ist der BFH entgegengetreten.

Nachlassregelungskosten sind abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, Abs. 6 bis 9 ErbStG), Nachlassverwaltungskosten nicht (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG). Kosten der Rechtsverfolgung können unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs stehen, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen. Ein enger sachlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist insbesondere dann gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären. Gleiches gilt für Kosten eines Rechtsstreits, den ein Erbe führt, um die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten. Ein enger zeitlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb liegt vor, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erhoben wurde. Unverzügliches Handeln ist anzunehmen, wenn die Klage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden angemessenen Prüfungs- und Vorbereitungszeit erhoben wird. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem Prozessbeginn ist, desto höhere Anforderungen sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die Verzögerung und eines fehlenden Verschuldens des Klägers zu stellen.

Fazit: Die Klärung der in den Nachlass fallenden Ansprüche des Erblassers gegen Dritte sollte zeitnah nach dem Erbfall erfolgen, um eventuelle Kosten dessen ggf. erbschaftssteuerlich geltend machen zu können.

Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 06.11.2019 - II R 29/16

14.04.2022, 10:00
Kategorien: Veröffentlichungen
Rechtsgebiete: Erbrecht